150 Jahre Straßenbahn in Hannover
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150 Jahre Straßenbahn in Hannover

Im September vor 150 Jahren begann für Hannover eine neue Zeit. Die Stadt sah
erstmals eine für ihre weitere Entwicklung überaus folgenreiche Neuerung: Eine Berliner
Gesellschaft ließ die ersten pferdegezogenen Bahnen auf in den Straßen verlegten Schienen
durch die Residenz fahren. Nach und nach entstand aus ersten Streckenstücken ein Netz, das
20 Jahre später elektrifiziert und stetig weiter ausgebaut wurde – Ursprung und Vorläufer der
heutigen Stadtbahn.

Samstag, 14. September 1872, 12.30 Uhr mittags. Hannover, Georgstraße, etwa dort, wo heute und schon seit Jahrzehnten eine bekannte Bratwurstbude steht: Geladene Gäste besteigen als allererste Fahrgäste die bereitgestellten Wagen der neuen Straßenbahn. Die „Continental Pferdeeisenbahn-Aktiengesellschaft“ mit Sitz in Berlin hatte Stadtväter und Polizeiräte sowie Vertreter von Industrie und Handel (damals tatsächlich nur männliche Vertreter) zur Premierenfahrt geladen. Acht bekränzte Pferdebahnwagen standen bereit. Sie starteten auf dem neuen Gleis zur Fahrt über die gesamte Georgstraße mit Kröpcke und Aegidientorplatz in Richtung Hildesheimer Chaussee. Man hatte es nicht eilig, 30 Minuten dauerte die Reise mit rotem Plüsch und Spiegelglas bis zum Döhrener Turm. Dort endeten die Schienen. Ein Musikkorps marschierte der Prozession voran oder fuhr, je nach Quelle, musizierend mit auf dem Dach des ersten Wagens. Die Bevölkerung jedenfalls erwartete das Spektakel gespannt: Seit Anfang September schon hatten Testfahrten der neuen Bahn stattgefunden.

Zwei Pferdebahnen am heutigen Kröpcke im Jahr 1887 (Foto: ÜSTRA Archiv)

Für einen Silbergroschen unterwegs

Vis-à-vis des damals noch ganz anders aussehenden Döhrener Turms – das Fachwerkgeschoss samt Spitze erhielt er erst 1888/89 – hatte die „Continentale“ ihren Unternehmenssitz und ihr „Depôt“. Die Festgesellschaft besichtigte hier zunächst eine ganze Stunde lang ausgiebig Wagenremise und Stallungen für die anfangs 80 Pferde, bevor sie zum Déjeuner in den Festsaal des Restaurants am Döhrener Turm gebeten wurde. Für „normale“ Fahrgäste begann der Straßenbahnbetrieb dann morgens am Montag, 16. September 1872. Ohne Musik und ohne Festessen. Für einen Silbergroschen pro Richtung. 3.600 Fahrgäste waren es am ersten Tag.

Pferdebahn am Döhrener Turm, um 1880, rechts das Restaurant. Die Zeichnung entstand um 1942. Foto: ÜSTRA Archiv

Eine Abschrift des Vertrags zwischen dem „Partikulier“ (Unternehmer, Investor) Arnold von Etlinger aus Berlin mit dem Magistrat „über die Anlegung von Pferde-Eisenbahnen in der Königlichen Residenz-Stadt Hannover“ ist im Archiv der ÜSTRA vorhanden. Das Original wurde am 2. November 1871 unterzeichnet. Als erste Linie war darin bestimmt eine vom Ernst-August-Platz „über Georgenstraße nach der Hildesheimer Str. bis zum Friedhofe am Engesohderberge“, sodann eine „von der Georgenstr. nach der Langenlaube, dem Königsworther Platz, Herrenhausen“ sowie weitere nach Kleefeld und Linden.
Der Gleisbau begann am 22. April 1872 an der Hildesheimer Chaussee, Ecke Böhmerstraße und etwa zeitgleich auch an der Georgstraße. Man baute anfangs sehr schnell. Aufwändig war die Anlage auch, denn die damalige Altenbekener Bahn musste in Höhe der Brauerei mittels einer langen Rampe überquert werden.

Mit der ersten Pferde-Eisenbahn Hannovers – die sechste in Deutschland – war ein entscheidender Schritt in die Verkehrszukunft getan. Schließlich waren Pferdebahnen leistungsfähiger und auch komfortabler als der Pferdeomnibus. Doch der Ausbau stockte. Am 2. März 1879 vergab die Stadt daher eine zweite Konzession an den Düsseldorfer Ingenieur Leopold Boyaert, einem Belgier. Bedingungen: fünf weitere Linien binnen Jahresfrist, Baubeginn binnen vier Wochen, 60.000 Mark Sicherheitsleistung, was vier Direktorengehältern entsprach. Boyaert gab die Konzession nur zwei Tage später an den in London lebenden Ingenieur Alfred Parrish aus Philadelphia weiter. Dessen Gesellschaft „The Tramways of Germany Company Limited“ wiederum pachtete am 10. April 1879 die Anlagen der „Continentalen“, betrieb sie und baute sie wie gefordert aus.

Möglicherweise das einzige Foto vom letzten Betriebstag 1897: Pferdebahn nach Ankunft auf dem Betriebshof Glocksee. Foto: ÜSTRA Archiv

Genau diese „Tramways“ waren es, die im April 1891 Stadtbaumeister Theodor Krüger anstellten und zum Direktor machten, die mit der Stadt am 15. März 1892 einen Vertrag zur Elektrifizierung der Straßenbahn schlossen, am 4. Mai 1892 Siemens & Halske (Berlin) mit der Herstellung der elektrischen Strecken
und Fahrzeuge beauftragten – und am 22. Juni 1892 die Statuten der neuen „Aktiengesellschaft Straßenbahn Hannover“ zeichneten. Damit entstand die heutige ÜSTRA, eine Abtrennung
vom seit 1872 parallel geführten Pferdebahnbetrieb in Dresden. Da war der hiesige Betrieb der „Tramways“ längst als „Straßenbahn Hannover“ unterwegs und Krüger ihr Direktor – lange vor Gründung der ÜSTRA. Pferdebahn und Elektrifizierung, Netzausbau und Wachstum der Stadt sind untrennbar
mit der „Straßenbahn Hannover“ verbunden. Vor jetzt 150 Jahren war der wichtige erste Schritt zum heutigen Hochleistungs-Stadtverkehr der ÜSTRA getan.

Nice to know:

Die letzte Pferdebahn
Die letzte Pferdebahn verkehrte in Hannover am 18. Dezember 1897 und endete somit nach exakt 25,25 Jahren. Es gab keine Feier zur Umstellung auf elektrische Traktion, auch der „Hannoversche Anzeiger“ vermeldete nichts. Somit sind die Fahrgäste der ÜSTRA Bahnen am 18. Dezember 2022 seit genau 125 Jahren ausschließlich elektrisch unterwegs. Anfang 1897 hatte die Straßenbahn noch 253 Zugpferde, am Jahresende nur mehr 50. Die 140 Pferdebahnwagen wurden als Beiwagen der Elektrischen und als
Bauwagen weiterverwendet, einer „überlebte“ bis heute. Der bereits vor jetzt sogar 170 Jahren (1852) in Hannover eingeführte Pferdeomnibus verkehrte noch bis 1918. Sein Einsatz begann also 20 Jahre vor der Ära der Pferdebahn und endete gut 20 Jahre nach ihr.

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