Die Tage werden länger, die Röcke kürzer, die Gesichter freundlicher – der Frühling naht und bringt Licht und Farbe in den Alltag. Dabei treibt es Hannovers Nahverkehr saisonunabhängig bunt, denn seit 1994 verfügt die Landeshauptstadt über eine weltweit einmalige Kollektion farbenfroher BUSSTOPS. Im Rahmen der Kampagne „Kunst im öffentlichen Raum“ entstanden insgesamt neun oberirdische Haltestellen, von renommierten Architekten und Designern gestaltet. Die Wartehäuschen bieten mehr als eine quadratisch-praktisch-gut-Architektur. Mit den Busstops beweist die üstra neben den kunstvoll gestalteten U-Bahnstationen auch oberirdisch Linientreue. Und wer wie ich auf Design abfährt, dem bereitet das Warten auf Bus und Bahn zuweilen Freude.
Seit jeher entzückt hat mich die Haltestelle Nieschlagstraße mit ihrem akustischen Spielplatz. Fernab vom quirligen Szenegetummel rund um Lindener Markt und Limmerstraße ist die „Flüsterstation“ ein Ort der Stille und Kommunikation zugleich. Vier riesige Lauschkalotten dienen als Flüstergewölbe. Das gesprochene Wort auf der einen Seite der Haltestelle wird so reflektiert, dass es auf der gegenüberliegenden Seite mühelos verstanden werden kann. Entworfen hat die Haltestelle für die Ohren der Kölner Design-Professor Wolfgang Laubersheimer.
Linden verfügt über ein weiteres exklusives Witterungshäuschen und zwar am nördlichen Ende der Limmerstraße. Der Ort ist wahrlich kein Wunder der Ästhetik: Backsteinexpressionismus und dichtbebaute Klinkerfassaden prägen das Bild. Die Stadtbahn quietscht an den Straßencafés vorbei und Radfahrer hetzten zu Arbeit oder Uni. Inmitten dieser Tristesse jedoch sprießt über den Köpfen der Wartenden ein üppiger Dachgarten, konstruiert von dem Berliner Designer Andreas Brandolini. Die „grüne Haltestelle“ ist ein echter Hingucker, den man vielleicht erst auf den zweiten Blick wahrnimmt.
Am Königsworther Platz bittet der Italiener Ettore Sottsass Wartende zu Tisch. Vis-a-vis mit der Plastik „Symphony in Red“ hat er vor dem Unigebäude ein Symbol für Kommunikation und Kontakt geschaffen, um das herum man sich versammeln kann: Einen großen Tisch. Den Rahmen dafür bildet ein markantes Kreuzgitter aus gelb lackiertem Stahl. Darüber spannt sich schützend die „Tischdecke“ als Dach. Für ein geselliges Picknick ist der Verkehrsknotenpunkt zu laut, bei einem Café to go und aufgeschlossenen Mitwartenden kann man aber schon mal die Zeit vergessen bzw. den Bus verpassen. Zum Glück fährt er im 10-Minuten-Takt ab.
Ebenfalls von einem Italiener gestaltet wurde die gelbschwarze Legolandschaft mit ihren goldenen Türmen, direkt gegenüber des Anzeiger Hochhauses. Das Werk aus Kacheln und Kegeln vor der traditionsreichen Kulisse ist ein beliebtes Postkartenmotiv und stammt von dem Architekten Alessandro Mendini, der mit seinem Faible für leuchtendes Gelb dem Steintor einen Hauch von südländischem Flair verliehen hat.
La dolce vita lässt sich allerdings eher am Maschsee genießen, auch wenn der Busstop am Maschsee/Sprengelmuseum nicht von einem italienischen Baumeister sondern von der Berliner Designerin Heike Mühlhaus stammt. Das schwungvolle Dach ihres Objektes mutet an wie die Flosse eines Walfischs. Damit passt sich die Haltestelle von Hannovers Erlebnislinie 100/200 in die maritime Seeumgebung ein. Sollte das Wasser wider Erwarten von oben kommen, dann bietet die 12 Meter breite Flosse ausreichend Schutz. In der Nacht leuchtet der Träger übrigens blau wie das Meer.
Das passende Boot sticht zehn Gehminuten entfernt in See. Am Friedrichswall schuf der Designer Massimo losa Ghhini ein grünes Luftboot inklusive Vogelhäuschen für Fahrgäste der Linie 120. Das farbenfrohe Werk bildet einen tollen Kontrast zum neuen Rathaus mit seiner prunkvollen Architektur. Massimo losa Ghhini gestaltete übrigens maßgeblich den Umbau der U-Bahn Station am Kröpcke mit. Der Stararchitekt stammt aus, na raten Sie mal … Italien.
Durch seine zentrale Lage und die kulturellen wie gastronomischen Angebote drum herum ist der Aegidientorplatz so etwas wie der Time Square von Hannover. Einen Ruhepunkt im Verkehrsgewusel bildet die stilvolle, puristische Design-Haltestelle des Briten Jasper Morrison. Wegen seiner schnörkellosen, klaren Linien erhielt der englische Produktdesigner später einen Folgeauftrag für das Design des TW 2000.
Am Braunschweiger Platz hat der Amerikaner Frank O. Gehry seine Handschrift hinterlassen. Das Metallgeflecht erinnert an einen Reptilienpanzer und wird daher von Hannoveraner auch „das Gürteltier“ genannt. Edelstahlpanellen fangen Lichtreflexe ein und schimmern gleichzeitig herrlich im Sonnenlicht. Wenn das endlich wieder durch die Wolken dringt, bildet die funkelnde Oberfläche eine coole Kulisse für ein Selfi.
Kunst, Nahverkehr und Natur – all das ist am Theodor Heuss Platz auf elegante Weise miteinander verbunden. Der Katalane Oscar Tusquets Blanca kreierte die Haltestelle vor dem HCC. Sie ist, dank ihrer harmonischen Ausstrahlung, ein Ort an dem man gut und gerne länger verweilen kann, zum Beispiel um auf Bäume zu starren oder durch den lichtdurchfluteten Glasgiebel die Wolkenformationen zu beobachten.
An Ostern bekomme ich Besuch von Freunden. Sie wollen Sightseeing und ein bisschen Kultur, vielleicht mal ins Museum und bei schönem Wetter gerne draußen etwas unternehmen. Ich denke, ich habe da den optimalen Plan…