Die Reise beginnt
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Die Reise beginnt

Viele haben den kleinen Förderverein belächelt und für verrückt erklärt, als er 2013 sein Vorhaben, eine alte Bahn aus Kanada zurück holen zu wollen, vorstellte. Während Sie nun diesen Blogbeitrag lesen ist es jedoch soweit: Fritz Faupel, Vorstandsvorsitzender des Fördervereins STRASSENBAHN HANNOVER e.V. , macht sich auf den Weg nach Kanada, um Hannovers allererste Stadtbahn nach Hause zu holen.

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Seit 2013 arbeitete der Förderverein ehrenamtlich und mit viel Herzblut daran, den Stadtbahnwagen TW 601 aus Kanada zurück zu holen. Doch was macht den TW 601 so besonders, dass man dafür jahrelang Spenden sammelt und ihn einmal um den halben Globus fährt? Die Antwort auf diese Frage findet sich, wenn man etwas in der Geschichte Hannovers und der üstra kramt. Der TW 601 wurde, zusammen mit dem TW 600, Anfang der 70er Jahre als Prototyp für das neugeplante Stadtbahnsystem von der üstra gekauft und ausgiebig im Linienverkehr getestet. Die damals völlig neue Kombination aus Straßen- und U-Bahn war deutschlandweit einmalig und machte Hannovers Nahverkehr im ganzen Land bekannt. Dabei spielten die Prototypen eine entscheidende Rolle: Nur dank der damaligen Tests konnten die Must-Haves einer Stadtbahn erarbeitet werden, die noch heute in Form des grünen TW 6000 und seiner Nachfolger durch Hannover fahren. Denn für das neue System brauchte man eine Bahn, die sowohl an oberirdischen Bahnsteigen als auch im Tunnel halten-, und bei der jedes Fahrzeug ohne Wendeschleife in beide Richtungen fahren kann.

Seit 2013 warben Fritz Faupel und seine Vereinskollegen um Spenden für die Rückholung des TW 601.

Seit 2013 warben Fritz Faupel und seine Vereinskollegen um Spenden für die Rückholung des TW 601. Foto: Florian Arp

Als die ersten grünen Stadtbahnen, deren Verwandtschaft zum 601 bei näherem Hinsehen gut zu erkennen ist, 1975 dann in den Linienbetrieb gingen, wurden die Prototypen entbehrlich und wieder an die Hersteller zurückgegeben. Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit den knallroten Fahrzeugen. Während der TW 600 Ende der 80er Jahre verschrottet wurde, kam der kleine 601 nach Vancouver in Kanada, wo er über 12 Jahre nicht zum Einsatz kam und vor sich hin gammelte. Erst der Museumsverein aus Edmonton, einem Ort mitten in Kanada, rettete den Wagen vor dem Verrosten und setzte ihn seit 2005 im Museumsbetrieb ein.

Der TW 601 in Edmonton.

Der TW 601 in Edmonton. Foto: Hans Ryffel

Bis Ende August fuhr der historische Wagen in Edmonton, wo er von Fahrern und Fahrgästen gleichermaßen geschätzt wurde. Nun aber macht sich der 601 wieder auf den Weg in seine Heimat. Während der Kaufpreis für die Bahn nur einen symbolischen Dollar beträgt, hat der Transport so einer Stadtbahn ihren Preis. Rund 75.000 Euro benötigt der Förderverein, um das verlorene Familienmitglied wieder nach Hause zu holen. Durch unermüdliches Spenden sammeln und mit den Einnahmen aus vielen Sonderfahrten konnte der Verein nun nahezu die gesamte Summe zusammensparen. Das noch fehlende Geld strecken die Mitglieder nun erst mal privat vor, in der Hoffnung, mit dem 601 selbst bald Sonderfahrten zur Refinanzierung durchführen zu können. Denn nachdem sich Hannovers ältester Stadtbahnwagen auf den weiten und beschwerlichen Weg quer durch Kanada, die USA und über den Atlantik gemacht hat, soll er 2017 wieder auf Hannovers Schienen unterwegs sein.

Weitere Infos zum Förderverein, über den TW 601 sowie eine Bankverbindung zum Spenden, damit der TW 601 schnell wieder fahrtauglich gemacht werden kann, gibt es unter http://www.strassenbahn-hannover.de.

Wie es mit der Heimreise weitergeht, warum die Kanadier den Wagen freiwillig abgeben und welcher Weg jetzt vor dem 601 liegt, lesen Sie hier in den nächsten Wochen.

21 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Auch wenn ich den TW 600, oder um genau zu sein, den TW 601 nicht aus meiner Erinnerung kenne, finde ich es schön, dass solch eine große Summe zusammengekommen ist, dass der TW 601 wieder zurückgeholt werden kann. Die Fahrten mit unseren „Oldtimern“ sind immer wieder ein schönes Erlebnis. Gerade wenn ich mit dem TW 500 unterwegs bin, erinnert mich das an schöne Tage meiner Kindheit. Ich freue mich, dann vielleicht auch bald mit dem TW 601 fahren zu können.

  2. Hauptsache die Jungs von der ERRS denken dran, dem TW-601 seine Schmusedecke mitzugeben und ein paar Pillen gegen Seekrankheit.
    Immerhin steht ihm noch eine lange Reise in einem dunklen und schaukelnden Frachtraum bevor. Da bekommt er bestimmt Angst, und vielleicht wird ihm auch noch schlecht :(

    Komm gut nach Hause, TW-601 !

    Der TW-6000 Liebhaber

    • Hallo TW6000 Liebhaber,

      die Kollegen vom ERRS kümmern sich gut um den Kleinen. Außerdem ist Fritz ja jetzt auch vor Ort und macht ihm Mut vor der langen Reise. Auf jeden Fall freut sich der 601 schon, bald wieder zuhause in Hannover zu sein.

      Liebe Grüße aus Edmonton,
      Ramona

  3. Glückwunsch zur neuen Alten.
    Super, dass das mit dem 601 geklappt hat. Ich freue mich schon auf die erste Sonderfahrt damit. Im Linienbetrieb auf Linie 14 bin ich damals schon damit gefahren.

    • Dear Glenn,

      thanks for your comment. Fritz and his colleagues will treat 601 like their own baby :)
      And if you ever happen to be in Hannover – let us know and we will make sure that you’ll meet 601 in it’s new home.

      Best regards,
      Ramona

  4. Hallo Ramona,
    dem ehrenamtlichen Engagement der Freunde historischer Straßenbahnen in Hannover gebührt alle Ehre und herzlichen Dank für ihre Arbeit. Ich möchte das auch um Gottes Willen nicht schmälern, aber trotzdem gerne was in Erfahrung bringen und damit vielleicht ein bisschen Wasser in den Wein gießen:
    Du schreibst: „Der TW 601 wurde, zusammen mit dem TW 600, Anfang der 70er Jahre als Prototyp für das neugeplante Stadtbahnsystem von der üstra gekauft und ausgiebig im Linienverkehr getestet. Die damals völlig neue Kombination aus Straßen- und U-Bahn war deutschlandweit einmalig und machte Hannovers Nahverkehr im ganzen Land bekannt. Dabei spielten die Prototypen eine entscheidende Rolle: Nur dank der damaligen Tests konnten die Must-Haves einer Stadtbahn erarbeitet werden, die noch heute in Form des grünen TW 6000 und seiner Nachfolger durch Hannover fahren.“ Aber ist das wirklich so?
    Auf der Seite Historische Bahnen des Drehscheibe-online-Forums habe ich diese Bilder von der „Frankfurter Taunusbahn“ entdeckt:
    http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?17,3180190
    Die Idee, eine Straßenbahn mit Klapptrittstufen auszustatten, ist demnach keine rein hannoversche Erfindung. Das zeigen u. a. diese Bilder von Frankfurter in seinem Beitrag:
    „Vor 35 Jahren – Letzter Tag der Frankfurter Taunuslinien“ , vom 19.12.06.

    In seinem Beitrag von 2006 schreibt Frankfurter, dass die Bilder vor 35 Jahren entstanden sind, also 1971. Und auf den Bildern sind genau die sogenannten „Blumenkästen“ zu sehen, mit denen auch in Hannover mehrere Breitraumstraßenbahnwagen und Beiwagen ausgestattet wurden, die allerdings dann nie im Tunnelbetrieb zum Einsatz kamen. Es war allerdings ungewiss, ob die neuen TW 6000 Fahrzeuge rechtzeitig zur Fertigstellung der ersten U-Bahn-Strecke zur Verfügung stehen würden, deshalb hatte man vorgesorgt.

    „Die damals völlig neue Kombination aus Straßen- und U-Bahn war deutschlandweit“ also keinesfalls „einmalig“. Das zeigen doch nicht zuletzt die Bilder, auf denen ich weiter oben hingewiesen habe.
    Wie kommt es nun aber, dass immer wieder mal davon die Rede ist, dass die Üstra die Klapptrittstufen erfunden habe, obwohl doch nachweislich in Frankfurt (s.o.) und vermutlich auch in anderen Städten bereits solche Wagen im Einsatz waren? Ist das reiner Lokalpatriotismus?

    • Da Ramona derzeit nicht im Büro ist, werde ich deine Anfrage mal stellvertretend beantworten. Wir behaupten im Text nicht, die Klapptrittstufen erfunden zu haben. Aber die Entwicklung des Prototyp Ende der 60er war die Entwicklung der „Urstadtbahn“, ein komplett neues Fahrzeug, welches es so noch nicht gab. Das hat auch nichts damit zu tun, dass wir (wie auch andere Verkehrsbetriebe) übergangsweise auch die älteren Fahrzeuge dazu umgebaut haben. Diese waren im Vergleich noch nicht sehr alt und daher immer noch fester Bestandteil des (eingeplanten) Fuhrparks. Es ging auch nicht darum, dass wir nicht wussten, ob wir rechtzeitig an die benötigte Menge TW 6000 kommen würden. Diese Prototypen haben erstmalig alles, was eine Stadtbahn ausmacht (und nein, wir diskutieren jetzt nicht wieder über das Wording „Stadtbahn“): die Stufen, die Mehrwagenzugsteuerung, die automatischen Zielanzeigen rundherum und die elektronische Fahrsteuerung, die Zugsicherung allgemein…

      • Hallo Christine,
        vielen Dank für deine Erläuterungen, entschuldige bitte wenn ich da ein bisschen genauer nachfrage, aber du hast ja auch jede Menge Details in petto.
        Dass ich das mit den Klapptrittstufen angesprochen habe, kommt daher, dass diese Klapptrittstufen eben lange Zeit immer wieder ins Auge gefallen sind und an manchen Haltestellen auch heute noch immer wieder ins Auge fallen, und vielen als typisches Stadtbahn-Merkmal gilt. In ein paar Jahren allerdings werden wir in Hannover voraussichtlich eine Stadtbahn ohne Klapptrittstufen haben, bzw. die Klapptrittstufen im regulären Linienbetrieb nicht mehr zum Einsatz kommen, weil dann alle Haltestellen mit Hochbahnsteigen ausgestattet sind. Bei den anderen technischen Ausstellungsmerkmalen wird es schnell kompliziert.
        „Die damals völlig neue Kombination aus Straßen- und U-Bahn war deutschlandweit einmalig und machte Hannovers Nahverkehr im ganzen Land bekannt.“ heißt es in Ramonas Artikel. Was aber unterscheidet dann Hannovers Stadtbahnen von den Stadtbahnen anderer Städte, dass sie so einmalig war? Die Klapptrittstufen ja schon mal nicht. In dem Wikipedia-Artikel „U-Bahn Frankfurt“ https://de.wikipedia.org/wiki/U-Bahn_Frankfurt wird ein Bild gezeigt mit der Beschriftung „Prototyp 1001, der erste Stadtbahnwagen Deutschlands“
        https://de.wikipedia.org/wiki/U-Bahn_Frankfurt#/media/File:U1-Triebwagen_Schwanheim_01052009.JPG
        Ich finde aber, dass dieser Prototyp 1001 viel weniger wie eine Straßenbahn aussieht als der TW601 aus Hannover, sondern viel mehr wie eine U-Bahn aussieht. Und obwohl das Frankfurter Stadtbahn eigentlich gar keine U-Bahn ist, wird sie trotzdem allgemein nicht als Stadtbahn sondern als U-Bahn bezeichnet. Genau wie auch in der Überschrift des Wikipedia-Artikels.

    • Lieber Henry,

      der TW-601 (und damit dann auch die 6000er Serie) war schlicht revolutionär.
      Die Trittstufen sind Nebensache, die kannst Du ignorieren.
      Aber hier wurden Meilensteine gesetzt (bedenke: Technikstand 1974):
      – stufenloser und daher ruckfreier Thyristorantrieb
      – Rückspeisung der Bremsenergie in den Fahrstrom
      – ergonomischer Fahrersitz und Übersicht
      – max. 4-Wagenbetrieb, elektrische Verbindung durch Scharfenbergkupplung
      – „state-of-the-art“ Jacobs-Drehgestelle mit Radreifen (ok, nicht mehr der Hit)
      – automatische Zielanzeiger mit Zielfilmen, Einstellung automatisch
      und noch etliches andere mehr.

      Nicht umsonst sind die Wagen ja heute noch in Betrieb. Und die Inbetriebnahme war problemloser als bei den TW-2000 / TW-3000.

      Der TW-6000 hat schlicht Maßstäbe gesetzt. Bis auf die berühmten „Türstörungen“ ist das Ding einfach zuverlässig und robust ohne Ende.

      Naja, ok, ich bin evtl. ein ganz klein wenig voreingenommen ;)

      Der TW-6000 Liebhaber

    • Ja, nachdem er in Hannover ausgiebig getestet wurde, ging er zurück an den Hersteller. Dieser verkaufte ihn nach Vancouver, wo er auch als Testfahrzeug dienen sollte. Man entschied sich aber schon während seiner Überfahrt nach Kanada gegen das Stadtbahnsystem, sodass er in Vancouver niemals zum Einsatz kam. Dort stand er dann erstmal lieblos in einer Lagerhalle, bevor er nach Edmonton kam.

      • An der Stelle ist es ja mal ganz interessant zu schauen, welches Verkehrssystem dann an Stelle der Stadtbahn in Vancouver realisiert wurde. Bei Wikipedia gibt es dazu einen Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/SkyTrain_Vancouver
        „Der Vancouver SkyTrain ist ein fahrerloses, schienengebundenes Nahverkehrssystem in der Region Greater Vancouver.“, erfährt man bei Wikipedia. Außerdem steht dort, dass die üblicherweise eingesetzten Züge 72 m lang sind. In der Region Vancouver leben etwa doppelt so viele Menschen wie in der Region Hannover.
        Wie in Hannover gab es in Vancouver bereits Ende des 19. Jahrhunderts Straßenbahnen. In Vancouver wurde jedoch in den 50er Jahren die Straßenbahn stillgelegt und durch Busse ersetzt. 1975 beschloss Vancouver die Wiedereinführung eines schienengebundenen ÖPNV, was wohl der Grund dafür war, dass man sich in Vancouver mal ansehen wollte, was zur selben Zeit in Hannover am Start stand, und so ließ man sich dann wohl den TW 601 kommen.

        Der fahrerlose Skytrain mit vielen Hochbahnstrecken und einigen Tunneln wurde pünktlich zur Weltausstellung in Vancouver 1986 eröffnet.
        Wie in Hannover Anfang der 60er Jahre gab es übrigens auch in Vancouver in den 70er Jahren die Idee, eine Alwegbahn aufzubauen. Diese Idee wurde jedoch wie in Hannover verworfen.

    • Hallo Volker, derzeit ist der TW 601 noch auf dem Weg nach Balitmore – also auf dem LKW. Sobald er aufs Schiff kommt, gibt es hier auch ein Update. LG, Christine

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