Die Frage, wann es mal wieder richtig Sommer wird, wurde 2018 definitiv beantwortet. Das Thermometer bei 32 Grad festgenagelt, Niederschläge wie in der Sahelzone und täglich 13 Stunden UV-Strahlung aus der ganz dicken Bertha. Mehr geht nicht. Zuhause auf dem Balkon, mit den Füßen im Wassereimer und dem Kühlschrank voller Weizenbier mag das auszuhalten sein. Aber wer sich trotz des heißen Wetters von A nach B bewegen muss, hat ein Problem. Und da kommt die ÜSTRA ins Spiel.
Als ich vor rund zehn Jahren meinen Stadtbahnführerschein gemacht habe, war es ein ähnlicher Sommer. Zum Lernprogramm gehörte auch eine Nachtfahrt, daher begann eines Tages der Unterricht erst um sechs Uhr abends. Leider hatte die Bahn, die wir zum Üben benutzten, den ganzen Tag auf dem Betriebshof Glocksee in der prallen Sonne gestanden. Die Luft darin war so stickig, dass man sie umrühren musste, damit sie beim Einatmen überhaupt runterging. Unser Lehrfahrmeister ließ uns auf kürzestem Weg in den Tunnel einbiegen und den grünen Wagen in eine unterirdische Kehranlage fahren, wo wir erst einmal alle Türen auf beiden Seiten zum Durchzug öffneten. Damals stieg meine Achtung vor den Leistungen unseres Fahrpersonals steil an. Kann sich noch jemand an Telefonzellen erinnern? Wenn man die mal im Sommer benutzen musste und nach fünf Minuten das nasse Hemd am Rücken klebte? So ähnlich darf man sich das Mikroklima in einer Fahrkabine des TW 6000 vorstellen – in dem unsere Leute aber pro Schicht acht Stunden verbringen und nicht nur fünf Minuten. Nur ein kleiner Ventilator quirlt die schlechte Luft. Immerhin: Für die innere Erfrischung sorgt Wasser, das unsere Bus- und Bahnfahrer an Knotenpunkten ausgegeben bekommen.
Als man in den Neunzigern den nächsten Stadtbahntyp TW 2000 entwickelte, mochte man solche Temperaturen den Fahrern nicht mehr zumuten. Die Fahrerkabine bekam eine Klimatisierung, die das Aufheizen durch die Sonneneinstrahlung bremst. Wieder zwanzig Jahre später – die Komfortansprüche waren gestiegen, der Klimawandel in Fahrt gekommen – gab es für die neuste Stadtbahngeneration TW 3000 eine Klimatisierung des gesamten Fahrgastraums. Wobei: Mit der Kühlung, die heute beinah jeder Neuwagen bietet, lässt sich die Kühlanlage im TW 3000 nicht vergleichen.
In einem Mittelklasse-Pkw kann man sich heute eiskalte Luft ins Gesicht blasen lassen, bis aus dem Schweißfilm Raureif geworden ist. Eine Stadtbahn hält aber alle 600 Meter an und macht sämtliche Türen auf – da bleibt von kalter Luft im Inneren nicht viel übrig. Solche Art der Energieverschwendung passt nicht zu unserem Anspruch auf klimaschützende Mobilität.
Und es wünscht vielleicht auch nicht jeder Fahrgast in extrem heruntergekühlten Bahnen befördert zu werden, wenn draußen der Asphalt zu schmelzen beginnt. Meine Frau beispielsweise muss das Wort „Klimaanlage“ nur in der Zeitung lesen um sofort zu niesen. (Was unsere diversen Urlaubsfahrten im Auto nach Italien sehr abwechslungsreich gestaltet – ich fange nämlich schon an zu schwitzen, wenn ich den Brenner sehe).
Die Anlage im TW 3000 hält die Temperatur im Innern ungefähr auf dem Niveau der Außenluft, verhindert also ein Aufheizen durch Sonneneinstrahlung und durch die Körperwärme der Insassen – jeder lebende Mensch ist nämlich ein kleiner Heizofen, der mit rund 120 Watt vor sich hin bollert. Da kommt bei 100 Fahrgästen schon was zusammen. Die Temperierung in den TW 3000 macht keine rollenden Kühlschränke aus den Bahnen, sie ist aber deutlich wahrnehmbar und macht die Fahrt im Hochsommer viel angenehmer.
Wahrscheinlich werden wir alle, die wir jetzt unter der Hitzewelle stöhnen, im nächsten Sommer wieder über das norddeutsche Schietwetter schimpfen, das kaum das Niveau des Frühherbsts im schottischen Hochland erreicht. Klar ist aber: Der Klimawandel ist real, und er geschieht jetzt. Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad haben in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen, und dieser Trend wird sich fortsetzen. Der klimatisierte Nahverkehr bleibt auf der Agenda, der TW 3000 war nur der Einstieg in diesen Komfort, der ja auch – mit Augenmaß praktiziert – die Gesundheit insbesondere von kleinen Kindern und älteren Menschen schützt. Das gilt nicht nur für künftige Stadtbahngenerationen, sondern auch für den Busverkehr der Zukunft.
„Wieder zwanzig Jahre später – die Komfortansprüche waren gestiegen, der Klimawandel in Fahrt gekommen“
ja, und deswegen brauchen wir eine Vernünftige Klimaanlage. Das gehört ja auf der ganzen Welt zur Selbstverständlichkeit! Und nur in Deutschland ist es immer „anders“.
„Die Anlage im TW 3000 hält die Temperatur im Innern ungefähr auf dem Niveau der Außenluft“
Echt jetzt? also bei 35 Grad draußen wird es also 35 Grad in der Bahn? und das bezeichnen Sie als komfortabel???
Wir brauchen eine vernünftige Klimaanlage, wie in anderen Ländern. Selbst in Polen sind alle neue Fahrzeuge klimatisiert!
Da gebe ich Ihnen recht. Wenn ich von der Schule komme und dann mit der Bahn nach Hause fahre, währe es mir schon lieber, wenn es in der Bahn ein wenig kühler wäre.
Klimaschutz ist ja wichtig, aber vielleicht könnte man die Temperatur in der Bahn um 5 Grad senken? Vielleicht wäre die Fahrt dann etwas angenehmer. Man muss sich darüber nicht aufregen. Die Üstra gibt sich ja mühe.
Sonst finde ich alles gut, bei der Üstra.
Das wäre eine schöne Idee wenn Mann/Frau nach einem anstrengenden Arbeitstag und dem anschließenden Saunagang in der U-Bahn darauf hoffen könnte dass jemand der für die Anschaffung der U-Bahn zuständig ist diese bei diesen Temperaturen auch benutzt,statt im gut klimatisierte Auto nach Hause zu fahren. Dann hätten wir schon längst eine vernünftige Kühlung in der U-Bahn.
So, nun haben wir wieder ein Jahr später noch höhere Temperaturen. Aber unsere Busse und Bahnen haben keine Klimaanlage, auch die neuen nicht.
Sorry, wann sehen die Zuständigen endlich ein, dass es noch schlimmer kommen wird und die Busse und Bahnen dringend Klimatechnik braucht.
Hier geht es nicht um irgendwelche Empfindlichkeiten sondern um das Wohl der Fahrgäste. Oder müssen erst die ersten Fahrgäste Kollabieren, bevor was geschieht ?
Hallo Herr Döpke,
Die Einsicht besteht schon lange, und es wird auch entsprechend gehandelt. Bei der Anschaffung neuer Fahrzeuge werden diese schon seit Jahren mit Klimatechnik bestellt, so beispielsweise die neuste Stadtbahn TW 3000. Auch die neuen E-Busse werden voraussichtlich mit Klimatechnik ausgerüstet sein. Die Nachrüstung älterer Fahrzeuge ist technisch schwierig und finanziell aufwendig. Daher setzen wir auf die Erneuerung der Flotte, um für extreme Hitzetage gerüstet zu sein.
Hallo Frau Reichel,
wenn das so ist, dann ist das neu. Die TW3000 haben zumindest keine Klimatisierung nur eine Temperierung (Außentemperatur = Innentemperatur). So steht es zumindest in ihrem Artikel:
„Die Anlage im TW 3000 hält die Temperatur im Innern ungefähr auf dem Niveau der Außenluft, verhindert also ein Aufheizen durch Sonneneinstrahlung und durch die Körperwärme der Insassen – jeder lebende Mensch ist nämlich ein kleiner Heizofen, der mit rund 120 Watt vor sich hin bollert. Da kommt bei 100 Fahrgästen schon was zusammen. Die Temperierung in den TW 3000 macht keine rollenden Kühlschränke aus den Bahnen, sie ist aber deutlich wahrnehmbar und macht die Fahrt im Hochsommer viel angenehmer.“
Es ist nicht das, was ich mit Klimatisierung gemeint habe ( 39 Grad ist nicht annähernd angenehm) . Und übrigens eine normale Klimaanlage muss nicht auf 18 Grad oder Kühlschrank eingestellt sein, dass sind alles nur Scheinargumente um abzulenken.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Döpke
Manche Bahnen und Busse sind aber einigermaßen kühl. Entweder ist der Fahrer „schuld“ oder die Klimaanlage funktioniert dort. Die Temperaturen in den Fahrzeugen auf dem Niveau der Außentemperatur zu halten soll wohl ein Märchen für Erwachsene sein, denn der 1. April ist schon gewesen.
Udo, es ist immer wieder ein Genuß, Deine Beiträge zu lesen.
Aber hier hat der Pressesprecher der Üstra wirklich alles (und noch 10% mehr) gegeben, um die Lage schönzureden… naja, schönzuschreiben ;)
Du hast eine Zulassung für alle aktuellen Fahrzeuge? Fein! Dann fahr doch mal einen Kurs mit einem TW-2000 / TW-2500. Das gebogene Fahrerfenster mit integrierter Brennglaswirkung wird Dich nach einem TW-6000 betteln lassen.
Ok, der Ventilator ist echt eher Deko als Funktion, aber MAN KANN FENSTER AUFMACHEN!
Den TW-3000 knicken wir lieber gleich… egal ob längs oder quer.
Der TW-6000 Liebhaber
Hallo in die Runde,
der Bericht ist sehr treffend beschrieben. Aber es ist wie im Auto.
Wenn das Fenster offen steht, funktioniert auch eine Klimaanlage nur semi gut.
Und ob etwas zu warm oder zu kalt ist, das gilt auch für den Winter. Der Fahrer kann es regeln und davon sind wir im Wagon abhängig.
Wobei im Winter kann ich mich entsprechend kleiden. Immer Sommer geht irgendwann nix mehr auszuziehen.
Und so sage ich mir: Besser warm gefahren als gut gelaufen. Das ist im Zweifel noch wärmer.
Es war doch überall warm: zu Hause, im Job, in der Schule oder im Auto.
Es hilft manchmal auch einfach mal nur durchhalten!
LG DoSi
Hallo TW6000-Liebhaber!
Liebe macht bisweilen blind. Aber trotz deiner großen Liebe zum TW6000 solltest du nicht darauf verfallen, jüngere Fahrzeuggenerationen deshalb schlecht zu reden. Wenn ich nur dran denke, dass an sonnig-heißen Tagen das Platz nehmen auf den schwarzen Kunststoff-Hartschalen-Sitzen der grünen Stadtbahnen mit „Verbrennungsgefahr“ verbunden ist, dann muss ich feststellen, dass da auch nicht alles zum Besten bestellt ist. Zum Glück haben die Silberpfeile helle Sitzflächen aus Holz!
Was die „gebogenen Fahrerfenster“ der Silberpfeile angeht: Zugegebenermaßen habe ich dort bisher noch nie hinter einem Fahrerfenster gesessen. Ich bin Fahrgast, kein Fahrer. Aber eine Brennglaswirkung kann dadurch ganz bestimmt nicht auftreten. Eine gebogene Scheibe alleine erzeugt keine Brennglaswirkung! Dazu bräuchtest du schon zwei gebogene Scheiben, müsstest diese jeweils mit der Öffnung nach innen gegeneinanderlegen und den Zwischenraum mit Wasser füllen. Ein Brennglas hat nämlich eine nach außen konkave Form. Es wölbt sich auf beiden Seiten nach außen. Eine Scheibe, die an allen Stellen gleich dünn ist, kann keine Brennglasfunktion entfalten, auch dann nicht, wenn sie gebogen ist.
Liebe Hannoveraner*innen,
vor wenigen Wochen war ich mal wieder in Hannover zu Gast, da ich ein großer Fan Eurer Stadtbahn bin und hier familiäre Wurzeln habe.
Trotz sengender Hitze habe ich die kompletten Linien 3/7, 9 und 10 abgefahren und bin in den Genuss aller Fahrzeugtypen gekommen.
Ihr jammert auf hohem Niveau!
Ja, wenn man vom Fasanenkrug bis Empelde und zurück bis zum Steintor im 6000er auf der Sonnenseite gesessen hat, hat man ungefähr die Situation erreicht, die DB-Fahrgäste im Sommer fast als Dauerzustand haben.
Ich muss aber auch sagen, dass mir der TW 3000 wirklich angenehm kühler erschien.
Außerdem habt ihr ja in der Innenstadt die Tunnel, sowie im Gegensatz zu den meisten Städten auf weiten Strecken besondere Bahnkörper bzw. gute Vorrangschaltungen. (Naja, die 9 und 10/17 sind hier nicht gerade gemeint ;-) )
Somit stehen die Bahnen seltener im Innenstadtstau in der prallen Hitze und bewegen sich schneller, was ja auch die Fahrzeiten verkürzt.
Ich kann euch verstehen, aber ihr seid mit der Üstra ziemlich weit vorne.
Das heißt nicht, dass es nichts zu verbessern wäre. Wenn ich aus Spaß Stadtbahn fahre, ist das ja auch eine andere Motivation als zur Arbeit oder Schule gekarrt zu werden.
Grüße aus dem Rheinland nach Hannover
Regoju