EXPO 2000 – Gewinner war der Nahverkehr
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EXPO 2000 – Gewinner war der Nahverkehr

Die meisten Menschen in Hannover – vor allem die unter 25-Jährigen – kennen mich als Pressesprecher der ÜSTRA und sind wahrscheinlich der Meinung, ich sei das schon immer gewesen. Tatsächlich bin ich aber erst seit 19 Jahren bei der ÜSTRA, nämlich seit September 2001. Vorher – von 1996 bis Ende 2000 – war ich in der Pressestelle der Gesellschaft beschäftigt, die von der Stadt Hannover, dem Land Niedersachsen, der Bundesrepublik Deutschland und deutschen Wirtschaft zu dem Zweck gegründet worden war, „die Weltausstellung in Hannover vom 1. Juni bis 31. Oktober 2000 vorzubereiten und durchzuführen“: die EXPO 2000 Hannover GmbH.

Meine Zeit bei der Expo: Hier sind die Messehallen noch im Bau – und ich mitten drin. (Foto: privat)

Bis diese Gesellschaft 1994 gegründet wurde, war es ein langer und steiniger Weg. 1990 hatte zwar Hannover (mit einer Stimme Mehrheit, die von der damals noch stimmberechtigten DDR kam) vom Pariser Weltausstellungsbüro den Zuschlag bekommen. Im Zuge der Wiedervereinigung stand aber bald eine ganz andere Großveranstaltung für das Jahr 2000 auf der Tagesordnung: die olympischen Spiele in Berlin. Doch die Berliner Olympiabewerbung scheiterte aufgrund interner Skandale krachend, 1993 bekam Sydney mit großer Mehrheit den Zuschlag. Erst danach erinnerte man sich in der Politik an die Weltausstellung in Hannover und sagte sich: Wenn wir 2000 keine olympischen Spiele in Deutschland haben können, machen wir halt eine Weltausstellung.

Auch in Hannover war die Expo kein Selbstläufer, erst eine Volksabstimmung brachte 1992 eine (äußerst knappe) Zustimmung für die Weltausstellung. Um den Bedenken und Sorgen – insbesondere der Umweltschützer – vor der Großveranstaltung gerecht zu werden, sollte die Expo in Hannover die grünste Expo aller Zeiten werden. Und das betraf vor allem die Verkehrsinfrastruktur, die mit enormen Mitteln ab Mitte der 90er Jahre ausgebaut und modernisiert wurde. Vorrang hatte dabei der ÖPNV.

1998: Die auffällige Dachkonstruktion des neuen Endpunkts „Messe/Ost“ wird eingesetzt. (Foto: ÜSTRA Archiv)

Da die Planer davon ausgingen, dass etwa die Hälfte der erwarteten Besucher Schienenverkehrsmittel, ein Viertel Reisebusse und ein Viertel den Pkw als Verkehrsmittel benutzen würden, wurden eine Reihe von Verkehrsprojekten angeschoben und realisiert. Ein neuer Fernbahnhof direkt am Messegelände mit einer Kapazität von 30.000 Besuchern in vier Stunden, ein S-Bahn Netz mit Anschluss von Flughafen und Messe (West) mit der Kapazität von 50.000 Besuchern in vier Stunden sowie die neue Stadtbahnstrecke D-Süd von der Freundallee zum Endpunkt Messe-Ost, die zusammen mit der bestehenden B-Strecke zum Endpunkt Messe-Nord 65.000 Besucher in vier Stunden zum Messegelände bringen konnte. Darüber hinaus wurden in den Jahren zwischen 1994 und 2000 mit einem neuen S-Bahn-System die vorhandenen Nahverkehrsverbindungen zwischen Hannover und der Region erweitert. Diese Maßnahmen im Stadt- und S-Bahnnetz Hannovers wurden durch Einzelmaßnahmen der Deutschen Bahn, wie beispielsweise der Modernisierung des Hauptbahnhofes, ergänzt.

Heute klingt das alles selbstverständlich – damals war es ein gewaltiger Modernisierungsschub für Hannover und die gesamte Region. Wer erinnert sich noch an die uralten Nahverkehrszüge, die dann 2000 durch die modernen S-Bahnen ersetzt wurden? Viel unbequemer ist man in Sibirien vor dem ersten Weltkrieg vermutlich auch nicht gereist. Der hannoversche Hauptbahnhof in den 90ern vor der Expo-Modernisierung? Da musste man Bahnsteigkarten kaufen, wenn man zu einem Gleis wollte. Und vor 2000 musste, wer vom Flughafen im Norden zum Messegelände im Süden wollte, tatsächlich mitten in Hannover am Hauptbahnhof umsteigen.

Insgesamt floss über eine Milliarde Euro in den Ausbau des Nahverkehrs nach Hannover. Die ÜSTRA nutzte diesen Expo-Segen für eine umfassende Modernisierung ihrer Flotte und ihrer Haltestellen. Hannover bekam eine neue Stadtbahn – den TW 2000 – und einen neuen Stadtbus. Die größte Station Kröpcke wurde vollkommen neugestaltet. Die ÜSTRA konnte für all diese Projekte weltbekannte Designer gewinnen, was ihr seitdem den Ruf eintrug, den schicksten Nahverkehr Deutschlands zu haben.

Neben dem TW 2000 gab es auch einen Silberpfeil-Bus: Für die Expo wurde der Irvine Citaro entwickelt. (Quelle: ÜSTRA Archiv Foto: Eberhard Franke)

Anfangs hatte es die Weltausstellung schwer. Die erwarteten Besucherströme waren zu Beginn nur Rinnsale. Wie ein Wackerstein hing der Expo die Prognose von 40 Millionen Besuchern um den Hals, die ein Unternehmensberater im Auftrag der Politik errechnet hatte, um am Ende auf die berühmt-berüchtigte „Schwarze Null“ zu kommen und der Öffentlichkeit die Großveranstaltung schmackhaft zu machen. Leider hatte die Politik es kleinmütig versäumt, die Expo rechtzeitig vor Beginn von dieser Bürde zu befreien. So schwer wäre das nicht gewesen: Die Weltausstellung war eine Werbeveranstaltung für Deutschland mit weit über hundert Nationen als Gästen und zugleich ein gewaltiges Investitionsprogramm – und das sollte nichts kosten dürfen?

Erst als das vergünstigte Abendticket – ab 18 Uhr durfte man für zunächst 10 und später 15 D-Mark auf die Expo – eingeführt wurde, füllte sich die Expo mit Leben und bekam diese unvergleichliche Atmosphäre, von der heute noch alle, die dabei waren, Gänsehaut bekommen, wenn sie sich daran erinnern. Es waren vor allem Hannoveraner aus der Region, die abends auf die Expo fuhren – nach dem Motto: wenn die anderen nicht kommen, feiern wir eben selber. Die Bilder von der Expo im abendlichen Glanz, voller Leben und Besucher, gingen um die Welt und plötzlich war die Expo sexy: Da muss ich unbedingt noch hin – die wird ja in ein paar Wochen geschlossen! Am letzten Abend schaute eine halbe Million Menschen dem Abschieds-Feuerwerk zu. Mit über 18 Millionen Gästen war die Expo 2000 eine der bestbesuchten Weltausstellungen aller Zeiten. Und kurz vor Schluss gab es eine Debatte, ob man die Weltausstellung nicht um sechs Monate verlängern könnte. Oder sogar zu einer Dauereinrichtung wie Disneyland machen.

Großer Andrang: Expo-Gäste tummeln sich vor dem Eingang auf das Gelände. (Foto: ÜSTRA Archiv Foto: Eberhard Franke)

Für mich war die Weltausstellung vor allem ein großes Abenteuer. Nie vergesse ich die Pressekonferenz mit Dennis Hopper, der einen neuen Mastercut seines Filmklassikers „Easy Rider“ auf dem Expo-Filmfestival präsentierte, und die rund hundert Harleys, die ihn mit laufendem Motor vor dem Pressezentrum erwarteten. Das Endspiel der ATP Tennis-WM 1998 zwischen Boris Becker und Pete Sampras auf dem Expo-Gelände. Eine Gondelfahrt über das abendlich erleuchtete Ausstellungsgelände. Und die Nächte im mexikanischen Pavillon, die stets erst im Morgengrauen und nach Strömen von Tequila endeten. Zu Recht hieß es in den Werbespots der Expo mit Peter Ustinov und Verona Feldbusch: Das gibt’s nur einmal. Das kommt nie wieder. Aber etwas ist doch geblieben: ein Nahverkehr in der Region Hannover, der seit der Expo zu den besten in der Welt gehört.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. „Wer erinnert sich noch an die uralten Nahverkehrszüge, die dann 2000 durch die modernen S-Bahnen ersetzt wurden? Viel unbequemer ist man in Sibirien vor dem ersten Weltkrieg vermutlich auch nicht gereist. Der hannoversche Hauptbahnhof in den 90ern vor der Expo-Modernisierung? Da musste man Bahnsteigkarten kaufen, wenn man zu einem Gleis wollte.“

    Selten so einen Unsinn gelesen. Offenbar hat der Verfasser in den 90ern weder Züge benutzt noch den Hauptbahnhof von innen gesehen.

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