ÜSTRA Heldinnen: Hannovers Geisterstimme
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ÜSTRA Heldinnen: Hannovers Geisterstimme

Im ersten Teil des Interviews mit Heike Geist, haben wir erfahren, was es bedeutete Ende der 1960er Schaffnerin zu sein. Doch damit ist ihre ÜSTRA Geschichte noch nicht beendet. Für weitere 25 Jahre begleitete sie die Fahrgäste und gab ihnen Orientierung – und das obwohl sie nicht körperlich vor Ort war. Wie sie das wohl geschafft hat…?

Erst Schaffnern, dann Aushangfahrpläne abtippen und zum Schluss Sachbearbeitung – so einen Karriereweg hat nicht jeder. Nebenbei hatten Sie aber auch noch eine andere spannende und einzigartige Aufgabe.

Das kann man sagen. 1975, da wurde darüber gesprochen, dass die Stadtbahnen beschallt werden sollten. Das heißt, dass zum Beispiel Haltestellenansagen vom Band kommen sollten. Alle Mitarbeiterinnen konnten sich intern dafür bewerben. Dabei gab es eine sehr lustige Auswahlrunde. Wir hatten Wassergläser, unterschiedlich gefüllt, mit denen ein „Ding Dong“ gemacht wurde bevor die Haltestellennamen in ein Aufnahmegerät gesprochen werden sollten. Da musste dann drauf achten, dass ich auch zur rechten Zeit Luft hole und so weiter. Jedenfalls muss ich das da richtig gemacht haben, denn die Durchsagen habe ich die nächsten 25 Jahre gemacht. Und das immer freiwillig, außerhalb der Arbeitszeit. An Bezahlung habe ich dabei gar nicht gedacht. Ich habe ja für die ÜSTRA gearbeitet und es hat mir Spaß gemacht.

Und vielleicht auch ein bisschen für den Ruhm?

Nein gar nicht mal. Es wusste ja kaum einer, dass ich das bin. Immer nur im Sommerloch, wenn die Zeitungen wenig zu schreiben hatten, fragten sie manchmal nach einem Interview mit der „Geisterstimme“ der ÜSTRA.

Das kann ich natürlich verstehen. Bevor es aber so weit kommen konnte, musste die „Geisterstimme“ erstmal eingefangen werden. Wie liefen denn die ersten Aufnahmen?

Das war in einem Tonstudio in Altwarmbüchen. Am Tag, an dem ich das erste Mal dort war, hallte es im Studio so, dass erst einmal Papp-Eierkisten an die Wände angebracht werden mussten, um den Ton zu dämpfen. Und dann ging’s los. Von Endpunkt zu Endpunkt musste ich alle Haltestellen ohne große Pause durchsagen, ohne Versprecher, ohne mit dem Schmuck zu klappern und ohne zu schmatzen. Das war nicht immer so ganz einfach. Selbst, wenn das alles geklappt hatte, konnte es passieren, dass plötzlich ein Rasenmäher im Garten nebenan an losging oder ein Hund irgendwo bellte. Da musste die Aufnahme jedes Mal abgebrochen werden. Wir einigten uns darauf, die Aufnahmen in Zukunft immer nachts zu machen. Auch da gab es manchmal noch Nebengeräusche von Flugzeugen über uns, aber das haben wir dann mit Humor genommen.

Mitte der 1990er wurde dann auf digitale Ansagen umgestellt. Das war doch sicherlich eine ganz andere Art zu Arbeiten.

Oh ja, zunächst einmal war es ein anderes Studio und die Konzentration musste viel höher sein. Zwei Tage hat es gedauert sämtliche Haltestellen, alle, von allen Straßenbahnen von allen Bussen, einzusprechen. Da brauchten wir dann auch nicht mehr die komplette Ansage, sondern einzelne Wörter oder Haltestellennamen, die dann zu einer Ansage zugeschnitten wurden. Da musste ich drauf achten, dass ich die Wörter mehrmals, aber oftmals mit einer anderen Betonung ausspreche. Wenn da zum Beispiel an eine Haltestelle noch was drangehängt werden musste, dann muss die Stimme abfallen. Wenn dann die richtigen Aufnahmen zusammengeschnitten werden, klingt das dann wie ganz normal eingesprochen. Wenn nicht, hört sich so ein „Haupt-Bahn-Hof“ sehr komisch an.

Können wir Ihre Geisterstimme immer noch hören?

Nein, Sie hören da meine Nachfolgerin, eine junge Schauspielerin mit ausgebildeter Stimme. Ich habe schon vor vielen Jahren aufgehört zu arbeiten.

[Edit:

hier können Sie sich Frau Geist noch einmal im Original anhören.]

Alles in allem ist das doch eine sehr abwechslungsreiche Zeit bei der ÜSTRA. Aber auch ihr Privatleben wurde hier aufgemischt, richtig?

Ja, ich habe hier, nach meiner Scheidung von meinem ersten Mann, meinen heutigen Mann kennengelernt. Er war damals auch Studentenschaffner. Wenn wir uns während Dienstfahrten unserer Bahnen begegnet sind, lächelten wir uns immer zu. Irgendwann habe ich mal etwas genauer hingeguckt und mich gefragt „Wer ist das denn? Der sieht ja nett aus.“ Später hieß es auf unserem Betriebshof Döhren auch noch von Kolleginnen „Ach der liebe Eberhard hier…“ und „Ach der liebe Eberhard da… .“ Ich wusste nicht, dass das mein nett aussehender Kollege war, bis mir eine andere Schaffnerin die Augen öffnete. Er guckte grade auf seinen Fahrplan, als sie ihn mir zeigte: „Ja hier, das ist unser Eberhard, immer nett und freundlich zu allen Kollegen.“ Daraufhin drehte er sich um und als er mich sah, begann er zu strahlen. Das war eigentlich der Anfang. Später ist er dann oft bei mir mitgefahren wenn er frei hatte. Studiert hat er natürlich nebenbei auch noch, mit Abschluss als Diplom Mathematiker. Wie er das zeitlich geschafft hat, weiß ich nicht. Aber seine ÜSTRA Geschichte kann er selbst erzählen.

Ja, wie hat er das bloß gemacht. Und dann auch noch das Herz einer Frau erobert…

Ja, das war schwer genug für ihn *lacht*. Aber er hat es geschafft. Er hat mich nach 7 Jahren mit meinen drei Kindern geheiratet. Heute sind wir fast 42 Jahre immer noch glücklich verheiratet.

Frau Geist, vielen herzlichen Dank für die tollen Geschichten. Es war mir eine Freude sie von Ihnen zu hören und niederschreiben zu dürfen. Und auch ihr Leser kommt nun in den Genuss, Frau Geist zu sehen – in unserer Reihe „Hannoveraner erinnern sich“:

10 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Warum ist es eigentlich mehr als 7 Monate nach Inbetriebnahme des Hochbahnsteiges „Großer Hillen“ noch nicht gelungen, in der Linie 5 den „Ausstieg links“ anzukündigen.

    • Hallo Herr Odening,

      ich habe dazu mal die Kollegen befragt: Das Problem ist hier die ältere Technik der IBIS-Geräte des Tw 6000. Dieser besitzt noch Daten- bzw. Sprachspeicherkarten, die in jedem Fahrzeug und in jedem Gerät einzeln ausgetauscht werden müssen. Bei derzeit noch 123 in Betrieb befindlichen Tw 6000 sind dies also 246 Stück plus Reserve. Da dies ein Aufwand von ca. 6 Wochen ist, werden die Fahrzeuge wirklich nur bei äußerster Notwendigkeit angefasst. Der nächste (Daten)Austausch wird rechtzeitig zur Eröffnung der Strecke zum neuen Endpunkt Hauptbahnhof/ZOB stattfinden, also spätestens im Bereich des Monatswechsels August/September. Dann bekommt auch Großer Hillen im Tw 6000 seinen Linksausstieg.

      LG, Christine Wendel

  2. Schade, das es nicht ein richtiger ÜSTRA-Film geworden ist. Aber die Fotos und Interviews waren sehr interessant zu lesen bzw. hören. Sie ergänzen auf ihre eigene Weise das „große“
    Buch von A. Uhlenhut und Herrn Narten. Für diese schöne Firmenchronik möchte ich mich bei den beiden Autoren sehr herzlich bedanken. Es ist ja im wahrsten Sinne des Wortes eine
    „gewichtige“ Ausgabe von höchster Qualität geworden.
    Und genau dazu passen die obigen Beiträge. Vielen Dank.

    • Hallo Herr Schrader, der im Beitrag verlinkte Teil ist nur einer von vieren. Sie können sich also auf weitere spannende Interviewsequenzen freuen, die wir in den kommenden Wochen hochladen werden. :)

  3. Ein toller Artikel über die „Geisterstimme“, an die ich mich noch sehr gut erinnern kann. Allerdings: Ganz verschwunden scheint sie immer noch nicht zu sein. Vor ein paar Jahren habe ich sie im nächtlichen Verkehr am Kröpke mit der Ansage „Erster Wagen nach (…) zweiter Wagen nach (…)“ gehört. Das klang schon ziemlich skurril, da die Fahrziele der Züge – wie gewohnt – von der heutigen Ansagerin kamen.

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