Vor 50 Jahren, am 15. Februar 1974, wurde in der ÜSTRA die Farbgebung der neuen Stadtbahnwagen
festgelegt – und schon bald war das ausgewählte Grün Marke und Identitätsmerkmal des
ganzen Unternehmens.
Am Anfang stand ein Brief. Design-Professor Herbert Lindinger, zu dieser Zeit am Institut für Industrial Design in Frankfurt/Main und am National Institute for Design Ahmedabad (Indien) tätig, wandte sich am 27. August 1970 an Hannovers Oberbürgermeister. Er bezog sich nach einem Messebesuch auf die ihm bekannt gewordenen Bemühungen der Stadt, „das etwas zu kühl geratene Image Hannovers zu korrigieren“ und schrieb, „das abgestandene Elfenbein der Straßenbahnen und Autobusse, das noch dazu wie vergilbtes Weiß wirkt, unterstreicht und verstärkt in seiner Kontrastlosigkeit zu den Häuserfassaden
noch die Langeweile des Stadtbildes.“ Klare Worte.
Mit aller Form und Vorsicht regte Lindinger zugleich an, „durch eine generelle Farbänderung der Straßenbahnen und Autobusse, zum Beispiel in Richtung ‚Maigrün‘, das Stadtbild enorm zum Positiven und Sympathischen zu beeinflussen.“ Von Blau wie in München und Zürich riet er ab, ebenso vom Rot Hamburgs und Bremens. Das freundliche Dankesschreiben eines Oberstadtdirektors verstand Lindinger nur als höfliche, aber letztlich folgenlose Amtsroutine.
So folgte er, mittlerweile Professor im Fachbereich Architektur der Technischen Universität Hannover, 15 Monate später nichts ahnend und sich sehr geehrt fühlend einer Einladung:
Ein Abendessen bei Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht, dabei auch Oberstadtdirektor Martin Neuffer. Nach dem Dessert hob der Gastgeber überraschend ein Schreiben empor – Lindingers Brief aus dem Jahr 1970. Da er nun schon in Hannover sei, meinten die beiden Stadtoberen, solle er sich doch jetzt um eine Umsetzung kümmern, auch um Verbesserungen der neuen U-Bahn-Wagen gegenüber den zwei rot-weißen Prototypen.
Wenige Tage später empfahl Hillebrecht die Kontaktaufnahme mit dem ÜSTRA Vorstand und speziell mit dem für Fahrzeuge zuständigen Ingenieur Erich Meyer-Plate. Terminbedingt betraf Lindingers Aufgabe für die nächsten zwei Jahre erst einmal vorrangig das Design von Fahrgast- und Fahrerraum.
Erst am 7. Dezember 1973 wurde in kleinem Kreise bei der ÜSTRA mit Direktor Günter Nasemann die anstehende äußere Farbgebung der neuen, längst bestellten Stadtbahnen diskutiert. Der Designer sollte das vorgeschlagene Grün zunächst an einem kleinen Holzmodell präsentieren. Am 18. Januar 1974 wurde dann beschlossen, versuchsweise auch einen ausgemusterten Zweiachser mit der neuen Farbe zu lackieren. Mit der anschließenden Präsentation am 15. Februar 1974 waren Vorstand, Neuffer und Hillebrecht überzeugt. Der Wagen durfte allerdings, „um keine unkommentierte öffentliche Diskussion zu veranlassen“ (so das Protokoll), den Betriebshof Glocksee nicht verlassen. Das neue große Problem bestand nun darin, erinnert sich Prof. Lindinger, „eine exakte Farbdefinition zu finden, die lichtecht, jederzeit für Jahrzehnte und bei verschiedenen Herstellern identisch nachbestellbar ist“. Das war damals nicht einfach: „Bis etwa 1985 stand für Farbentscheidungen in der Industrie nur die völlig unsystematische RAL-Farbkarte mit rund 100 exakt definierten Farben wie etwa Postgelb oder Feuerwehrrot zur Verfügung. Das gewählte gelbliche Grün gab es da nicht.“ Heute gewähren mehrere Farbsysteme Tausende Möglichkeiten.
Einen Ausweg boten die farbmischtechnisch exakt festgelegten Farben der Automobilhersteller und Autolackierer. Beim ganz aktuellen „Signalgrün“ von Opel wurde der Designer fündig. Eine diesem entsprechende eigene ÜSTRA Grün-Rezeptur folgte. Erwartungsgemäß erregte der erste so lackierte Stadtbahnwagen Ende Dezember 1974 sofort hohe Aufmerksamkeit, „weil äußerst ungewohnt, aber auch Stirnrunzeln“, ergänzt Lindinger – was sich jedoch bald legte. Es war wohl ein Zeitungsbericht,
der das Signalgrün erstmals als „Lindgrün“ bezeichnete, verstanden als Anlehnung an den Designernamen.
Das im Sommer strahlende und auch im Regen sympathische Lind- oder eben ÜSTRA Grün überzeugte mehr und mehr. Mit der zunehmenden Akzeptanz der Farbe fühlte sich Lindinger „ermutigt, das neue Grün für alle öffentlich sichtbaren Teile des Unternehmens vorzuschlagen“. Im Vorstandsvorsitzenden Wilhelm Pällmann fand er dafür den richtigen und überzeugten Partner. Alle von Lindingers Team neu gestalteten Elemente zeigten nun dieses Grün: Busse, Wartehallen, Drucksachen, auch der neue Unternehmensauftritt samt ÜSTRA Reisen. Selbst Dienstkleidung und Maschseeboote erhielten grüne Akzente.
Der ursprüngliche Fahrzeuglack wandelte sich zum umfassenden ÜSTRA Grün – bis heute! Der Nahverkehr in Hannover ist grün, inzwischen nicht nur äußerlich, und das ÜSTRA Grün
prägt auch heute noch das hannoversche Stadtbild.
Das Grün, ganz technisch Im Sommer 1973 führte Opel sein Signalgrün mit dem Farbcode L 308 ein. Bis Sommer 1977 war dieser aufpreispflichtige „Brillantlack“ ab Werk für die Autotypen Kadett, Ascona, Manta, Rekord und Commodore jener Zeit als Sonderlackierung bestellbar. Nur vier Jahre lang also. Heute ist dieses Signalgrün hierzulande außerhalb des ÜSTRA Universums daher nur an automobilen Oldtimern zu sehen. Bei Opel gab es seinerzeit neben dem Signalgrün auch noch, ebenso zeittypisch, Signalorange, Signalgelb, Signalblau sowie ein überraschendes Signalocker. Dem markanten Signalgrün folgten bei Opel bis heute zahllose andere Grüntöne. Bei der ÜSTRA blieb es das eine Grün, welches bis heute mit einem Zweikomponentenlack lackiert wird, beim Hersteller als „ÜSTRA Grün“ nach wie vor gemäß Originalrezeptur angemischt.