Hochbahnsteige: Ein großer Aufwand - Ein noch größerer Nutzen
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Hochbahnsteige: Ein großer Aufwand – Ein noch größerer Nutzen

Es regnet mal wieder in Strömen und ich hetze mit meinem überladenen Reisekoffer in Richtung Haltestelle. Wenn ich die nächste Stadtbahn auch noch verpasse, kann ich meinen Anschluss am Hauptbahnhof vergessen. Vollkommen außer Atem erreiche ich gerade noch rechtzeitig die „Eichenfeldstraße“ – eine Haltestelle OHNE Hochbahnsteig. Stöhnend hieve ich mein Gepäck in die Bahn und die anderen Fahrgäste schauen mich irritiert an. In diesen Momenten wünsche ich mir nur eins: einen Hochbahnsteig!

Klar, der Bau von Hochbahnsteigen kostet eine Menge Geld und sorgt für noch mehr Verkehrschaos in der Baustellenhochburg Hannover. Trotzdem sind Hochbahnsteige unersetzlich und zwar nicht nur für „verwöhnte“ Fahrgäste wie ich es vielleicht bin. Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind und zum Beispiel im Rollstuhl sitzen oder einen Rollator nutzen, benötigen einen barrierefreien Zugang zur Stadtbahn. Deshalb werden richtigerweise immer mehr Haltestellen mit Hochbahnsteigen ausgestattet. Für die Planung und den Bau der Bahnsteige ist die infra zuständig. Kompletter Name: Infrastrukturgesellschaft Region Hannover GmbH. 2001 hat sich die ÜSTRA vom Netz getrennt. Seitdem gehören alle Gleisanlagen, der gesamte Tunnelausbau (Fliesen, Lampen, Fahrttreppen, Aufzüge) und sämtliche Haltestellen der infra. Die ÜSTRA nutzt die Anlagen der infra für den Stadtbahnverkehr also wie ein Mieter.

Hochbahnsteig-Variante 1: Der Seitenbahnsteig (Foto: Ina Richter)

Ein Hochbahnsteig erfüllt bestimmte Kriterien, die in der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (BOStrab) bundesweit geregelt sind. Ein oberirdischer Hochbahnsteig muss mindestens 1,5 Meter breit sein und das ohne Sitzplätze und Infotafeln. Ein taktiles Leitsystem dient Fahrgästen mit Sehbehinderung als Orientierung. Fühlbare Markierungen auf dem Boden begrenzen die Bahnsteigkante und quadratische Aufmerksamkeitsfelder sind Ortsmarker für die Türen der Stadtbahn. Für den Zugang zum Hochbahnsteig gibt es Rampen. Die Zufahrt ist üblicherweise 14 Meter lang, mit höchstens sechs Prozent Gefälle. Falls ein größerer Höhenunterschied zum Bahnsteig überwunden werden muss, werden mehrteilige Rampen, in Kombination mit ebenerdigen Ruhepodesten, eingerichtet. Ergo: Hochbahnsteige beanspruchen viel Platz. Eine große Herausforderung für die Planer, da die Bahnsteige in der Regel in die bestehende Infrastruktur gebaut werden (auch deshalb ist eine Niederflurstadtbahn keine realistische Alternative).

Das taktile Leitsystem gibt Sehbehinderten Orientierung auf Hochbahnsteigen (Foto: Martin Bargiel)

Um möglichst flexibel auf die Gegebenheiten an den Haltestellen zu reagieren, gibt es zwei Varianten von Hochbahnsteigen: Die sogenannten Seitenbahnsteige befinden sich – wie der Name bereits vermuten lässt – an den äußeren Seiten der Strecke. An Endpunkten oder falls sich Stadtbahn und Autos die Fahrbahn teilen, kommt Variante zwei – der Mittelbahnsteig – zum Einsatz. Diese Bahnsteig-Form findet man zum Beispiel an den Haltestellen „Schwarzer Bär“ in Linden oder „Hbf./ZOB“ im Zentrum Hannovers. Doch damit die Hochbahnsteige direkt in der City nicht zum schmalen Grat werden, müssen die Planer der infra oft ans Limit gehen. Neben Platz für Fahrgäste benötigt jeder Hochbahnsteig auch noch Fahrkartenautomaten und Notrufsäulen. Trotzdem gibt es im Netz der ÜSTRA keinen Mittelbahnsteig, der unter vier Meter breit ist. Bei Seitenbahnsteigen ist das absolute Minimum eine Bahnsteigbreite von 2 Meter 35. All dies dient der Sicherheit, die oberste Priorität hat – im Vergleich sind Hochbahnsteige deutlich sicherer als die tiefergelegten Vorgänger. Da Hochbahnsteige durch ihre Präsenz auf den Straßen das Stadtbild mit prägen und täglich hunderttausende Fahrgäste bei Wind und Wetter ein- und aussteigen, sind sowohl Optik als auch Komfort wichtige Zusatzkomponenten. Besonders in der Innenstadt und in denkmalgeschützten Bereichen geht es oft um einen umsetzbaren Kompromiss zwischen Komfort und Platzangebot.

Hochbahnsteig-Variante 2: Der Mittelbahnsteig (Foto: Patrice Kunte)

Es muss also viel beachtet werden, bis ein Hochbahnsteig einsatzbereit ist. Aber der Aufwand lohnt sich allemal und kommt gut an: Sowohl unterschiedliche Behinderten- und Seniorenverbände als auch Bezirksräte drängen darauf, das Ausbauprogramm für Hochbahnsteige zu beschleunigen. Bereits im kommenden Jahr gibt es an den Haltestellen „Am Soltekampe“, „Steintor“, „Laatzen“ und „Wunstorfer Straße“ vier weitere Hochbahnsteige, die barrierefrei sind und die auch ich mit meinem Koffer ganz bequem nutzen kann.

12 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Da man beim Mittelbahnsteig alles nur einmal benötigt (Dach Bänke, Treppen, Fahrplanaushang,Papierkorb), hatte ich vorgeschlagen beim Bau der Lossetalbahn in Kassel außerhalb der Stadtgrenze Kassels auf Linksverkehr überzugehen, da teilweise nur Einrichtungsfahrzeuge eingesetzt werden. Statt 18 Außenbahnsteige a 60x3m² braucht man nur 9 Mittelbahnsteige. also 1620m² weniger zu asphaltieren. Der Polizeipräsident Hennig hatte zugestimmt (Schiene hat stets Vorrang vor Straße, egal auf welchem Gleis die a fährt), wurde bei Verhandlung vorm RP mein Antrag von der KVG abgelehnt. „Ich kann meinen Fahrern nicht zumuten im Stadtgebiet rechts und außerhalb links zu fahren,“ ( obwohl dort nach EBO mit Signalen gefahren wird), sagte der Betriebsleiter.- Geld spielt keine Rolle ?

    • Lustigerweise wurde die 2011 eröffnete Strecke nach Vellmar auch mit Mittelbahnsteigen und Linksverkehr realisiert, wobei ich auch anmerken möchte, dass ich es dort besser gefunden hätte, wenn man beim Rechtverkehr geblieben wäre und auf der 1 nur Zweirichtungsfahrzeuge eingesetzt hätte, da dort ja auch im Straßenverkehr nach BOStrab gefahren wird.

  2. An Streckenverzweigungen bietet ein Mittelbahnsteig Vorteile für Umsteiger – Beispiel: Nackenberg für Fahrten von Anderten nach Roderbruch, man muss nur die Bahnsteigseite wechseln. Leider wird darauf nicht immer geachtet – Beispiel: Clausewitzstraße, wer von Anderten/Roderbruch zum Zoo will, muss erst ans Bahnsteigende, dann Rampe runter und am anderen Seitenbahnsteig wieder rauf. Warum also Seitenbahnsteige?

    • Hallo Herr Kulda,
      vielen Dank für Ihren Kommentar. Ein direkter Umstieg an einem Mittelbahnsteig der Haltestelle „Clausewitzstraße“ klingt komfortabel. Jedoch müssen besonders beim Bau auf kurvigen Strecken die Winkel der Gleise beachtet werden. Ein Mittelbahnsteig an der „Clausewitzstraße“ würde einen deutlich höheren Verschleiß und zusätzlichen Lärm durch die Stadtbahnen in den Kurven bedeuten. Unabhängig davon werden Seitenbahnsteige von vielen Personen (besonders von sehbehinderten Fahrgästen) bevorzugt, da die rückwärtigen Geländer als Stütze und Orientierung genutzt werden können. Letztendlich sind unterschiedliche Kriterien ausschlaggebend (wie zum Beispiel die maximale Sicherheit am Bahnsteig und die bereits bestehende Infrastruktur), welcher Bahnsteigtyp gebaut wird.

      Beste Grüße

      Timo Wegner

  3. Sehr begrüßen würde ich Seiten-Hochbahnsteige, die an den Enden Rampen haben und außerdem über die ganze Länge Treppenstufen, die einen direkten Weg über die Fahrbahn ermöglichen, ohne dass die Fahrgäste über die Stirnseiten der Hochbahnsteige einen Umweg laufen müssen. Zum Beipiel könnten meines Erachtens an der Haltestelle Wunstorfer Straße (Linie 10) oder an der Haltestelle Bernhard-Caspar-Straße (Linie 9) Hochbahnsteige so gebaut werden.
    Der Autoverkehr muss dann halt so lange warten, bis alle ein- und ausgestiegen sind. Das ist jetzt ja auch so zum Beispiel an der Haltestelle Bernhard-Caspar-Straße.

    • Hallo Henry,

      im Bereich der Haltestellen „Wunstorfer Straße“ und „Bernhard-Casper-Straße“ teilen sich die Stadtbahnen die Gleise mit dem Autoverkehr. Deswegen werden dort aller voraussichtlich nach aus Platzgründen Mittelbahnsteige gebaut.
      Um die größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten, findet der Übergang zwischen Fahrbahn und Straße in der Regel an den Enden der Hochbahnsteige statt. Ließe man Fahrgäste auf breiter Front über die Straße laufen, würde der Verkehrsfluss – vor allen Dingen auf den Hauptverkehrsstraßen – zu stark eingeschränkt werden. Außerdem benötigen seitliche Treppen zusätzlichen Platz, der meistens rar ist. Es gilt zu bedenken, dass die Hochbahnsteige in die bestehende Infrastruktur gebaut werden – kein einfacher Job für die Planer.

      Liebe Grüße Timo

  4. Es gab (und gibt noch) einen ziemlichen Wirbel um den Bau der Hochbahnsteige auf der Limmerstraße. Viele Lindener sind enttäuscht, dass nicht die zwischenzeitlich in Aussicht gestellte Niederflurbahn gekommen ist und befürchten jetzt eine Beeinträchtigung der Limmerstraße durch den Bau der Hochbahnsteige. Könnte nicht die Üstra oder die Infra eine kleine Aufklärungskampagne dahingehend starten, dass Hochbahnsteige auch in engen Straßenabschnitten möglich sind und bei ansprechender Gestaltung auch eine Bereicherung für das Stadtbild darstellen können? Und wie wäre es mit einem Wettbewerb wie bei der Gestaltung der Hochbahnsteige in der Innenstadt?

    • Hallo Henry,

      Danke für deine Anregungen. Weil das Thema „Hochbahnsteige“ für uns eine große Rolle spielt, haben wir für die nächsten Wochen/Monate dafür schon einige Inhalte geplant. Unter anderem wird es auch „Bewegtbild“ geben, um für Verständnis bei diesem heiß diskutierten Thema zu werben. Zu viel wollen wir aber noch nicht verraten ;-)
      Was die Gestaltung angeht, das ist die Aufgabe der infra, an die wir deine Anregung aber weiterleiten.

      Viele Grüße,
      Mandy

  5. Hallo Mandy,

    eine Sache habe ich schon entdeckt betreff der Werbung für die Hochbahnsteige und zwar sowohl im Fahrgastfernsehen als auch in der HAZ als Anzeige auf der Internetseite (wenn man die Anzeige antippt startet der Film): Ein cooler Videoclip mit einer Rollstuhl-Basketballmannschaft. Aber wo ist der Film aufgenommen worden? Ich tippe auf die Haltestelle Stöckener Markt!
    Am neuen Hochbahnsteig Steintor gefallen mir ganz besonders die grün von innen beleuchteten Glaswände rund um den Sitzbereich. Diese Glaswände sind mit dem Motiv Anzeigerhochhaus geschmückt. Ich schreib dir schon mal einen Wunschzettel für den Lindener Markt: Da muss auch so eine Glaswand hin mit dem Motiv Nachtwächter, der als Bronzefigur auf dem sog. Nachtwächterbrunnen auf dem Lindener Markt steht.
    Und für den Hochbahnsteig am Küchengarten wünsche ich mir eine Nachbildung von den Figuren, die das Eckhaus schmücken, in dem der Bio-Supermarkt „denns“ untergebracht ist. An der Ziegelstein-Fassade befinden sich sehr schöne Figuren aus Ton im Jugendstil-Design. Oder eine Abbildung des in ganz Hannover so beliebten Motivs von den nachts beleuchteten „drei warmen Brüdern“.

    • Hallo Henry,
      genau, das Video mit den Rollstuhlbasketballern meinte ich beim letzten Mal schon. Das freut uns sehr, wenn es gut ankommt. Und du hast recht, wir haben an der Haltestelle „Stöckener Markt“ gedreht, das ist quasi die Heimathaltestelle von Hannover United, die ihre Heimspiele in der Sporthalle der IGS Stöcken austragen.

      Das Motiv des Anzeigerhochhauses am neuen Steintor Hochbahnsteig habe ich ehrlicherweise noch gar nicht entdeckt – aber da werde ich mal direkt ein Auge drauf werfen! Deine Gestaltungsideen für die weiteren Hochbahnsteige klingen sehr interessant. Die werden wir bei Gelegenheit mal den Kollegen der infra mit auf den Weg geben.

      Viele Grüße,
      Mandy

  6. Hallo Mandy,
    diese Woche habe ich einen weiteren Hinweis darauf gefunden, dass die Üstra sich jetzt verstärkt für den Hochbahnsteig-Ausbau ins Zeug legt: In der HAZ war eine halbseitige Anzeige mit der Überschrift „EIN DESIGN FÜR ALLE“ abgedruckt, in der betont wird, wie wichtig gerade für Menschen mit Behinderungen die einheitliche Ausstattung aller Stadtbahnhaltestellen mit Hochbahnsteigen ist. Auch auf die Hinweisschilder in Braille-Schrift (Punkt-Schrift für Blinde) und die Pyramidenschrift (eine Reliefschrift für Sehbehinderte, bei denen die Sehbehinderung oft erst spät eintrat, und die die Punktschrift deshalb oft nicht so gut beherrschen, weil sie nicht von klein auf erlernt wurde) wird in dem Anzeigentext eingegangen. Außerdem wird über die automatisch ausfahrbaren Rampen an den Omnibussen berichtet. Dabei ist mir eine Neuerung aufgefallen an den MAN-Hybrid-Solobussen. Es gibt ältere Modelle mit einer gelben Schrift im Fahrtzielanzeiger. Die haben alle eine automatische Rampe. Neulich bin ich mit einem der neueren MAN-Hybrid Busse auf der Linie 100/200 gefahren. Die haben eine weiße Schrift im Fahrtzielanzeiger. Und die haben am mittleren Einstieg eine Klapprampe. Als ich beim Busfahrer nachfragte, ob die Busse denn jetzt keine automatischen Rampen mehr hätten, erklärte er mir, dass die Klapprampe nur für alle Fälle zusätzlich eingebaut sei, damit es eine Alternative gibt, falls die automatische Rampe einmal ausfallen sollte. Das kommt manchmal im Winter vor, wenn wegen Eis- und Schneeglätte viel Split gestreut werden muss. Beim Aussteigen habe ich dann noch mal genau hingeschaut und die automatische Rampe entdeckt. Eigentlich ist das doch eine Sache, über die die Lokalzeitungen berichten müssten, zumal dort in den vergangenen Jahren schon häufiger über den Ausfall der automatischen Rampen berichtet wurde. Und vielleicht ist sowohl das mit der neuen weißen Schrift als auch das mit den zusätzlichen Klapprampen an den Omnibussen ein weiteres Thema für den Üstra-Blog. Oder gibt es das Thema schon?
    Und wenn ich schon gerade beim Wuschzettel bin: Kann denn der Üstra-Blog mit einer Vorlesefunktion ausgestattet werden, sodass bei jedem Beitrag ein Lautsprecher-Button abgebildet ist, der die Vorlesefunktion aktiviert, wenn man ihn anklickt? Einige Bushaltestellen und Stadtbahnhaltestellen haben doch inzwischen auch bereits eine Vorlesefunktion, mit der die DFI-Anzeige vorgelesen werden kann. Das müsste doch auch für den Üstra-Blog machbar sein!
    Viele Grüße
    Henry

  7. Heute, Pfingstmontag, 10.6.2019, stand ja ein grüner TW 6000 Stadtbahnwagen in den zurückgelassenen Gleisen auf dem Hauptbahnhof-Vorplatz. Dort wurde die Üstra-Ausstellung zum Roten Punkt gezeigt. Um in die Bahn zu gelangen konnten Rollifahrer und Gehbehinderte eine Hebebühne der deutschen Bundesbahn benutzen, die sich die Üstra ausgeliehen hatte. Für so eine Aktion geht das ganz gut. Aber zugleich zeigt der Hebebühneneinsatz – ich hatte selbst die Gelegenheit dabei zuzuschauen – dass das keine Alternative zu einem Hochbahnsteig darstellt. Dazu dauert das viel zu lange. Und es kann immer nur eine Person transportiert werden. Wenn mehrere Personen damit ein- und aussteigen müssten, weil sie darauf angewiesen sind, dann würde das ganz schön den Fahrplan durcheinanderwürfeln.

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