Beim Blick zurück schrumpft so ein Jahr zusammen wie damals die Oma, wenn wir ihr am Bahnhof zum Abschied zugewinkt haben und die Lokomotive ins Schnaufen kam. Und wie damals bei der Oma mischt sich der Abschiedsschmerz mit der Vorfreude auf die Fahrt.
2017 wurde die ÜSTRA 125 Jahre alt und bekam zum Geburtstag ein neues Gewand. Fachleute nennen es Corporate Design oder kurz CD: das Erscheinungsbild eines Unternehmens wird damit vereinheitlicht, die Wiedererkennung erleichtert und der Bekanntheitswert der Marke verstärkt. Nun ist die ÜSTRA in Hannover so bekannt, dass 90 Prozent aller Hannoveraner wahrscheinlich schon einen alten Besenstiel zum Nahverkehr zählen würden, wenn er nur im typischen Grün angestrichen wäre. Aber gerade im Zeitalter der digitalen Kommunikation, wo sich alles Materielle in unsichtbare Daten verwandelt, werden wiedererkennbare Zeichen immer wichtiger. Das gilt auch für die ÜSTRA, die sich seit ihrem 125. Geburtstag nicht nur komplett groß schreibt – wie man auch an diesem Text sieht – sondern ihren Umlaut in ein raffiniert einfaches Zeichen verwandelt hat: das Ücon. Je nach Betrachter mag man darin einen Manschettenknopf, ein Bikini-Oberteil oder eine Hantel erkennen. Ins Auge springt das Ücon auf jeden Fall, und da soll es ja auch hin (und von der Netzhaut bitte gleich weiter in den Hippocampus oder Neokortex oder wo immer es im Gehirn Klick machen soll).
Auch im digitalen Zeitalter wollen Menschen Dinge „face to face“ sehen und nicht nur über Facebook. Je mehr mobiles Internet und Smartphone Stubenhocker und Autisten aus uns allen macht, je größer wird das Bedürfnis nach persönlicher Teilhabe an gemeinsamen Erlebnissen. Einfach gesagt: Analog ist geil! Das fanden jedenfalls die rund 5.000 Besucher der größten Oldtimerparade, die es je im hannoverschen Nahverkehr gegeben hat. Am Himmelfahrtstag, den 25. Mai, war der Ernst-August-Platz voller Menschen, als der Förderverein Straßenbahn Hannover vom Holzwagen bis zum TW 3000 und vom Pferdeomnibus bis zum Elektrobus alles an Fahrzeugen auffuhr, was diese 125 Jahre ÜSTRA geprägt hat. Ein Auftakt ins Jubiläumsjahr, wie er großartiger, emotionaler und bewegender nicht hätte sein können – und nebenbei eine logistische Meisterleistung der Organisatoren und Macher vom Förderverein.
Zugleich markierte die Parade eine historische Zäsur im hannoverschen Nahverkehr: Kaum war der letzte Oldtimer über den Ernst-August-Platz gerollt, begann man, die dortigen Gleise zu entfernen. Rund hundert Jahre lang verkehrten Straßenbahnen über den hannoverschen Bahnhofsvorplatz. Mit der neuen Streckenführung der Linien 10 und 17 wurde dies beendet. Seit Mitte des Jahres biegen die beiden Linien vor dem Bahnhof in den Posttunnel und fahren durch diesen zum neuen Endpunkt Hauptbahnhof/ZOB.
Weiter ging es im Jubiläumsjahr mit einer Kuchenverteilaktion am eigentlichen Geburtstag, dem 22. Juni, bei der 1.250 Stücke vom Geburtstagskuchen verteilt wurden, und einem großen Bürgerfest auf dem Opernplatz am 5. August. Höhepunkt war eine spektakuläre Lichtshow: Der ganze Opernplatz in Grün getaucht, dazu eine fantastische Musik, eigens für diesen Anlass komponiert – Zehntausend Hannoveraner waren begeistert und haben mitgefeiert.
Nur wer schreibt der bleibt: Passend zum Jubiläum ist auch die umfangreichste Chronik der ÜSTRA erschienen, die es je gab. Auf fast 600 Seiten mit über 1.700 Bildern wird darin die bewegte Geschichte des Nahverkehrs in Hannover wieder lebendig. Die Chronik erzählt nicht nur vom Betrieb und seinen Fahrzeugen, sondern auch die Geschichte der Menschen, die in diesen 125 Jahren bei der ÜSTRA gearbeitet haben. Das tolle daran, dazuzugehören, ist das Gefühl, auf den Schultern der Generationen zu stehen, die vor einem da waren, und Teil von etwas zu sein, das seit 125 Jahren Bestand hat: der Glaube daran, dass ein guter Nahverkehr die Welt ein kleines bisschen besser macht.
Natürlich wurde 2017 nicht nur gefeiert. Das Jahr bot alles, was zu einem typischen ÜSTRA Jahr gehört: Gute Noten beim Kundenbarometer und schwere Unfälle. Baumaßnahmen und Ersatzverkehre. Schwarzfahrer und Übungstage für Rollstuhlfahrer. Kulturbusse und Maschseeboote. Fahrgastrekorde und Herbststürme.
Gegen Jahresende zogen auch über der Chefetage dunkle Wolken auf, und das Jahr endete mit personellen Wechseln an der Spitze sowohl der ÜSTRA als auch der unseres GVH Partners regiobus GmbH. Die Gründe zu kommentieren steht mir nicht zu. Ein guter Pressesprecher sollte den Leuten erstens keine Bären aufbinden und zweitens auch mal den Mund halten können. Nur eines gebietet der Anstand: Mich bei Wilhelm Lindenberg, der mich 2001 eingestellt hat, und André Neiß, der seit 2005 mein Chef war, für die gute Zusammenarbeit und das in mich gesetzte Vertrauen zu bedanken. Jetzt freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden Dr. Volkhardt Klöppner, der viele gute Ideen und neuen Schwung ins Unternehmen einbringen wird, und Denise Hain, die weiß, wo das ÜSTRA Herz schlägt. Da habe ich keine Sorgen: Hannovers 125 Jahre altes Verkehrsunternehmen ist bei diesem neuen Vorstand in guten Händen.
In diesem Sinn: Hello 2018 and Goodbye 2017!
Frischer Wind kann auch einer alten Dame auf die Beine helfen! In den nächsten Jahren wird sich die Mobilität bahnbrechend verändern. Durch Dr.Klöppner kann die Üstra endlich volle Fahrt aufnehmen!