Ah, der Maschsee. Jeder Hannoveraner hat mindestens eine Geschichte, die er mitgeschrieben hat. Auch ich habe schon ein paar gesammelt. Hier verbrachte ich meinen ersten Abend nach dem Umzug nach Hannover. Hier trank ich das erste Glas Sekt mit meinen Kollegen. Hier lernte ich mein privates Glück kennen. Hier kam ich an meine körperlichen Grenzen, als ich im ÜSTRA Team beim B2Run mitmachte. Hier erfüllte ich mir meinen ganz persönlichen ÜSTRA Traum: Einmal selbst am Steuer der Maschseeflotte stehen.
Es ist 9 Uhr, als ich mich mit Jens Treudler, Chef der Maschseeflotte, im Bootshaus treffe. Erste Amtshandlung: Kaffee! Während wir uns zum Einstieg über den Alltag auf See unterhalten, bekommen die beiden Hausenten Else und Howie, ihr Frühstücksbrot. Jens befestigt die Deutschlandflagge am Heck, legt den Hauptschalter der „Hannover“ um und erklärt mir im Schnelltempo das Ruder: „Beim großen Rad ist links links und rechts ist rechts, links beim kleinen Rad ist rückwärts und rechts ist vorwärts“. Er macht die Leinen los und mein Seeabenteuer beginnt. Dreimal ertönt die Hupe, nicht weil ich mich so freue, sondern um potenzielle Kanuten vor dem Bootshaus darauf aufmerksam zu machen, dass wir gleich auf dem See sind.
Wasser und Wind – eine komplizierte Beziehung
Ich muss mich erstmal an die neue Situation gewöhnen. So ein Schiff hat ja nun mal ganz andere Dimensionen als mein Fahrrad und der Untergrund macht es auch nicht leichter. Ständig übersteuere ich und dann kommt auch noch eine Windböe… Ich „schlittere“ wie auf Eis. Aber irgendwie schaffe ich es zu unserem ersten Anleger „Altenbekener Damm“. Die Nervosität steigt, als wir uns mit ausgeschaltetem Motor nähern. Ich stelle mich auf die Fußspitzen, um etwas sehen zu können, das hilft nur leider nicht. Nur ein kleiner Seitenspiegel verrät mir den Abstand zum Anleger. Passt alles und mit einem kleinen Rums stehen wir am Anleger. Der Rums ist dabei sogar nötig, denn die Magnete, die an der Seite des Bootes befestigt sind, halten uns nur fest, wenn wir richtig dran fahren. Berührungsfahren ist also ausdrücklich erlaubt.
„Auf zum Strandbad und gib Strom.“ Ich schaue Jens irritiert an. „Naja, Gas gibt’s hier nicht“, erklärt er. Recht hat er, denn die „Hannover“, die „Niedersachsen“ und die „Deutschland“ haben alle noch die Elektromotoren, die sie schon in den 1930er Jahren zur Maschseeeröffnung angetrieben haben. Und die „Europa-enercity“ lässt sich ja ohnehin von der Sonne auftanken. Mit etwas Glück bringt der Wind einen dann auch noch vorwärts. Ohne groß korrigieren zu müssen, drückt mich dieser genau in die richtige Position zum Anlegen an der „Quelle“.
Meine Härteprüfung
So langsam bekomme ich ein Gefühl fürs Fahren. Wir gleiten bei absoluter Ruhe über den See, ein paar Sonnenstrahlen glitzern auf dem Wasser, einfach traumhaft. Und dann kommt der Anleger „Nordufer/Fackelträger“… Vorsicht ist geboten, wir wollen ja schließlich nicht aus Versehen die Treppe nehmen. Um das zu vermeiden, hat jeder Fahrer seine ganz eigenen Wegpunkte, die ihm sagen, wann er einlenken oder den Motor ausmachen muss. Ich orientiere mich an der dritten Lampe vor der Treppe und steuere dann den Bronzefisch an. Es muss schnell gehen, aber es klappt, puh!
Kurz erholen und dann die Abschlussprüfung: Einparken. Die „Hannover“ will schließlich wieder ins Bootshaus zurückgebracht werden. Circa 30 Zentimeter Luft an jeder Seite trennen mich von Holz und Beton, nicht viel für so ein schwerfälliges Schiff. Jens gibt die Kommandos Schlag auf Schlag: rechts, Motor aus, links, rückwärts, rechts, Motor an, Motor aus. Meine Hände fliegen über das Steuerrad und ich habe kaum Zeit zu realisieren, wie eng das hier eigentlich ist. Ich weiß zwar nicht wie, aber wir kommen ohne Kratzer an. Vielen Dank Jens, dass du mir dieses Abenteuer ermöglicht hast.
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