Nach der EXPO: Was und wer blieb, in der „Stadt für den zweiten Blick“ TEIL 2
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Nach der EXPO: Was und wer blieb, in der „Stadt für den zweiten Blick“ TEIL 2

Hannover, Weltausstellungsstadt. Vor 20 Jahren war die EXPO2000 zu Ende, die erste universelle Weltausstellung in Deutschland. Hannover war Gastgeber, die ÜSTRA auch, mit Nachhaltigkeit als Teil des Konzepts. Im ersten Teil haben wir uns der Frage gewidmet: Was blieb im Nahverkehr? Im zweiten Teil geht es ums Menschliche: Wer blieb nach der EXPO bei der ÜSTRA?

Teil 2: Wer blieb nach der EXPO?

Brigitte Kliem war bei der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn tätig, als sie die Ausschreibung für ein halbes Jahr Fahrdienst in Hannover sah. Kurzentschlossen nutzte sie die besondere Chance, in einer ganz anderen Stadt zu arbeiten – wann sonst gibt es das für Straßenbahnfahrer schon? Brigitte Kliem fand an der Leine (und in der ÜSTRA) sehr schnell den Mann und die Stadt fürs Leben: „Ich wollte gar nicht mehr weg, ich hatte mich gleich in Hannover verliebt“, sagt sie rückblickend mit einem tiefgründigen Lächeln und einer Portion Doppelsinn: „Ich bin von Herzen Hannoveranerin“. Michael Putz, zuvor bei der Kölner KVB, blieb ebenfalls der Liebe wegen in Hannover, „ich hatte schon während der EXPO innerlich in Köln gekündigt“. Die Freundschaft zu einem ÜSTRA Kollegen hält bis heute.

„Muckel“ Putz und Brigitte Kliem arbeiteten während der EXPO als Gastfahrer bei der ÜSTRA und sind nun schon seit 2001 zurück in Hannover. (Foto: Achim Uhlenhut)

Logische Folge: Beide „Gastfahrer“ bewarben sich noch während der EXPO bei der ÜSTRA. Nur hatte die zunächst gar keinen Bedarf, der Personalchef machte wenig Hoffnung. Nach der EXPO war ja deutlich weniger Verkehrsleistung zu erbringen. Die zehn Kölner mussten sogar einem kurzfristigen Ruf ihres eigentlichen Arbeitgebers folgend vorzeitig abreisen.

Michael Putz, seit 1982 nur unter seinem Spitznamen „Muckel“ bekannt – so steht es sogar auf seiner Personalakte – fand das gar nicht gut. Er schaffte es, alle paar Wochen weiter auch einmal in Hannover fahren zu können. So blieb die Fahrberechtigung für die grünen ÜSTRA Bahnen erhalten, mehr als ein Jahr lang. Ab 1. Oktober 2001 war er wieder da. Der „geborene Westfale, gelernte Rheinländer und Niedersachse im Aufbau“ blieb auf seinem Heimatbetriebshof Glocksee, wobei „Heimat“ durchaus wörtlich zu verstehen ist. „Zwischen den vielen jungen Kollegen bei der ÜSTRA komme ich mir schon vor wie ein Glockseer Urgestein“.

Seit 2001 der feste Arbeitsplatz von „Muckel“ Putz und Brigitte Kliem: Der Stadtbahnbetriebshof Glocksee. (Foto: Martin Bargiel)

Gegen den Verkehr in Köln war die erste Zeit in Hannover für „Muckel“ Putz damals wie Urlaub: „kaum Störungen, kaum Unfälle, kaum Verspätungen“. Die waren in Köln erst ab zehn Minuten meldepflichtig, der Autoverkehr ein Chaos. Als er einmal bei drei Minuten „Plus“ eine leichte Nervosität fühlte, da wusste „Muckel“: Jetzt bist du in Hannover angekommen. Ein wenig fehlt ihm nur das schnelle Fahren überland nach der Eisenbahn-Betriebsordnung (EBO), die auf den Linie 16 und 18 zwischen Köln und Bonn gilt. „Das habe ich geliebt“, sagt er – und hat seinen alten Kölner Führerschein, samt Strecken nach EBO und in Bonn, schnell zur Hand. Lange Linien sind sein Ding, da kann selbst die 3 von Altwarmbüchen nach Wettbergen nicht ganz mithalten.

Nur ausnahmsweise kamen die Gastfahrer, hier eine Kölner Gruppe mit „Muckel“ Putz (rechts) während der EXPO auch auf die EXPO-Strecke. (Foto: privat)

Brigitte Kliem erinnert sich an einen Dienst auf der EXPO-Linie 11, die vom Zoo nur bis zur Freundallee führte: „Drei Haltestellen, die das Lesen unterbrachen“. Beide haben längst mehr Jahre auf hannoverschen Schienen verbracht als bei den früheren Betrieben. Anders als die Bremer Kollegen hatten beide beim Ausbildungsstart im Frühjahr 2000 in Hannover schon Erfahrung mit Stadtbahnbetrieb und Zugsicherung im Tunnel.

Brigitte Kliem fuhr am 1. April 2001 ihren ersten Dienst als echte ÜSTRAnerin und arbeitet seither durchgehend auf dem Betriebshof Glocksee. (Foto: privat)

Brigitte Kliem konnte schon Anfang April 2001 nach nur wenigen Monaten Wartezeit fest nach Hannover wechseln, ebenfalls zum Betriebshof Glocksee. Sie mischt dort seit etlichen Jahren schon Fahrdienst auf der Stadtbahn und Büroarbeit für den Betriebsleiter. Jeder neue Kollege im Fahrdienst bekommt von ihr die Fahrzeugschlüssel für die Stadtbahnen ausgehändigt.

Brigitte Kliem im Dienst auf der Linie 10. (Foto: privat)

Alle Fahrerinnen und Fahrer aus Köln, Bochum, Gelsenkirchen und Bremen waren während der EXPO im damals ungenutzten ehemaligen Schwesternwohnhaus am Krankenhaus Siloah untergebracht. Der 8. Stock war fest in Kölner Hand. Brigitte Kliem schwärmt heute noch von der Lage und der Nähe zum Betriebshof Glocksee: „ein Träumchen von Arbeitsweg“. Ein paar Minuten mit dem Rad an der Ihme entlang, durchs Grüne. Nebenan noch mehr Grün und der Maschsee. Längst lebt sie in Bothfeld, aber die Begeisterung blieb: „Hannover – und alle Waldwege sind geteert“ freut sich die Rad- und Inliner-Fahrerin.

Da Köln etwa doppelt so groß wie Hannover ist, brauchte „Muckel“ Putz einst viel Zeit für den Weg zur Arbeit auf dem Betriebshof Wesseling. Von Herrenhausen nach Glocksee geht´s schneller. Meist mit der Stadtbahn, die hier auch vor seinen Frühdiensten oft schon fährt – ein Gewinn an Lebensqualität. Die Innenstadt lernten beide übrigens erst nach ihrer Zeit als Gastfahrer richtig kennen, „denn wir fuhren ja immer nur drunter durch“.

Hannovers Innenstadt lernten „Muckel“ Putz und Brigitte Kliem erst nach ihrer Zeit als Gastfahrer richtig kennen: „…denn wir fuhren ja immer nur drunter durch“. (Foto: Florian Arp)

Inzwischen kennt Brigitte Kliem so ziemlich alle Ecken ihrer „neuen“ grünen Heimatstadt. „Muckel“ Putz gefallen baulich besonders die alten Gebäude an Ausfallstraßen wie der Podbi: „Hannover ist eine Stadt für den zweiten Blick“.

„Muckel“ Putz nennt Hannover „eine Stadt für den zweiten Blick“. (Foto: Achim Uhlenhut)

Die EXPO-Zeit, das waren „unheimlich viele schöne Erlebnisse, das vergisst man nicht“, blickt „Muckel“ Putz zurück. Und wie war das mit der Weltausstellung selbst? „Muckel“ Putz besuchte sie einmal, Brigitte Kliem gleich 29 Mal: Die Abendkarte passte gut zum Dienst, die EXPO-Stimmung gut zur neuen Beziehung. „Ich habe alles richtig gemacht“, bilanziert sie mit ihrem erfrischenden Lachen.

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