Letztens hörte ich auf dem Heimweg ein Gespräch einer Mutter mit ihrer Tochter, das mich sofort in meine eigene Kindheit zurückversetzte. Neben den nächsten Haltestellen, die die Kleine fehlerfrei aufsagen konnte, gab es aber auch ein paar Fragen. Eine davon war: „Mama, was macht das rote Ding da?“ Die Erklärung kam sogleich: „Das ist die Notbremse. Wenn du daran ziehst, dann hält die Bahn sofort an. Das darfst du aber nur machen, wenn in der Bahn etwas ganz Schlimmes passiert, sonst ist das verboten.“ Die Erklärung ist zwar im Großen und Ganzen richtig, sorgte damals aber bei mir dafür, dass meine Hemmschwelle, die Notbremse zu ziehen, ins Unermessliche stieg – und damit bin ich nicht allein.
Ziehen oder nicht ziehen? – Das ist hier die Frage
Es gibt eindeutige Situationen, wie z.B. ein Feuer, bei denen sicher niemand zögert, den roten Hebel zu ziehen. Doch was ist mit den weniger offensichtlichen Einzelfällen? Hier ein Fall, der sich vor ein paar Wochen ereignete: Eine Frau wollte noch schnell die Stadtbahn erreichen, die noch an der Haltestelle stand. Der Fahrer hatte allerdings schon sein Abfahrsignal erhalten, sich vergewissert, dass niemand mehr an den Türen stand und die Türautomatik aktiviert. Die Frau erreichte die Bahn, die Türen schlossen sich und die Handtasche sollte als Türöffner dienen. Doch das funktionierte nicht: Während die Tasche schon in der Bahn war, stand die Frau noch draußen, die Schlaufen der Tasche waren in der Tür eingeklemmt. Alle Versuche, die Tasche an den Schlaufen wieder rauszuziehen, scheiterten. Die Bahn fuhr los und die Frau stürzte. Hätte ich als Fahrgast die Notsituation der Frau gesehen, hätte ich die Notbremse ziehen dürfen, um den Sturz zu verhindern?
Eine Notbremse ist eine technische Vorrichtung zur Auslösung einer Bremsung, um Gefahren und Notsituationen für die Bahn oder die Fahrgäste abzuwenden. Sehe ich also, dass ich eine Gefahr mit einer Notbremsung verringern oder vermeiden kann, sollte ich die Notbremse ziehen. Im oben geschilderten Fall, wäre die Frau wahrscheinlich nicht gestürzt, wäre die Notbremse gezogen worden – die Gefahr wäre abgewendet und das Ziehen der Bremse hätte ihr geholfen. In Fällen, bei denen das Bremsen der Bahn nicht helfen kann, gibt es den Sprechwunsch-Taster zur Information des Fahrers bzw. der Fahrerin. Von dort werden dann über die Betriebsleitstelle alle weiteren Maßnahmen eingeleitet.
Bei Missbrauch strafbar
Doch warum steht unter der Notbremse eigentlich der abschreckende Nebensatz „Bei Missbrauch strafbar“? Was ist denn so schlimm daran, wenn die Bahn kurz aufhört zu fahren? Zum einen ist die missbräuchliche Betätigung der Notbremse gesetzlich verboten (§ 145 StGB Missbrauch von Notrufen und Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln). Unfallverhütungsmittel und Nothilfemittel sollen jederzeit für Notfälle bereitstehen und gerade nicht durch Missbrauch beeinträchtigt werden. Ob ein Gesetzesverstoß vorliegt, ist für jeden Einzelfall gesondert zu prüfen und zu beurteilen. Zum anderen können Unfälle mit anderen Verkehrsteilnehmern entstehen oder Mitfahrer durch die ruckartige Bremsung verletzt werden, was nur dann gerechtfertigt ist, wenn eine Notfallsituation die Betätigung der Notbremse veranlasst hat.
Eine häufige Annahme, die nur so halb stimmt: Die Bahn hält sofort an, sobald ich die Bremse gezogen habe. Eine solche automatische Bremsung kann nur innerhalb der ersten 10 Sekunden nach Abfahrt von der Haltestelle erfolgen. Sind diese 10 Sekunden vorbei, bremst der Fahrer. Oberirdisch muss er dabei erst sein Umfeld und die Verkehrslage kontrollieren, um keine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer zu verursachen. Befindet er sich im Tunnel, muss er bis zur nächsten Station fahren. Denn im Tunnel ist eine eventuell notwendige Evakuierung sehr schwierig, besonders falls es in der Stadtbahn einen Brand geben sollte.
Nicht nur in den Stadtbahnen, sondern auch in den unterirdischen Stationen gibt es die Möglichkeit, eine Bahn auszubremsen. Zusätzlich dazu, dass man an den Info- und Notrufsäulen direkt mit der Betriebsleitstelle sprechen kann, gibt es hier eine Nothalt-Einrichtung, um zum Beispiel Fahrgäste, die auf das Gleisbett gefallen sind, zu retten. Wird der Nothalt gezogen, stellen sich Signale (Ampeln) vor und hinter dem Bahnsteig auf Rot. Das zeigt den Fahrern, dass sie die Station weder anfahren noch verlassen dürfen. Erst wenn die Gefahr nicht mehr besteht, werden die roten Signale wieder ausgeschaltet und alles nimmt seinen gewohnten Gang.
Ich hoffe, diese kleine Notbremsen-Lehre schafft es, ein paar Hemmungen abzubauen. Das rote Ding ist schließlich nicht nur Deko, es soll verhindern, dass etwas Schlimmes passiert.
Die Stadtbahnen beschleunigen mit 1m/Sek². Das heißt nach 10 Sekunden hat die Stadtbahn bereits eine Geschwindigkeit von 10m/Sek erreicht, das entspricht einer Geschwindigkeit von 36 km/h.
Nach 10 Sekunden hat die Bahn eine Strecke von 50 m zurückgelegt, wenn sie konstant aus dem Stand heraus mit 10 m/Sek² beschleunigt. (Sie fährt in diesen ersten 10 Sekunden nach dem Losfahren mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5m/Sek.)
Vielleicht hab‘ ich hier ja einen Rechenfehler drin, den ich nicht erkannt habe?
Führt denn das Auslösen der Notbremse innerhalb dieser 10 Sekunden nach Abfahrt zu einer echten Notfallbremsung, bei der die Bahn ganz erheblich deutlich stärker abbremst als im normalen Fahrbetrieb, weil dann auch die die Magnetschienenbremse ausgelöst wird?
Oder ist die Bremswirkung eher so zwischen dem normalen Bremsen im normalen Fahrbetrieb und einer echten Notfallbremsung, bei der auch die Magnetschienenbremse bremst?
Prinzipiell hast du Recht: Wenn die Stadtbahn mit konstant 1,0 m/s² beschleunigen würde, hätte sie nach 10 Sekunden eine Geschwindigkeit von 36 km/h erreicht und 50 m zurückgelegt. Tatsächlich nimmt die Beschleunigung aber mit zunehmender Geschwindigkeit ab. Sie ist also nicht konstant. Im Geschwindigkeitsbereich, in dem von 30 auf 40 km/h beschleunigt wird, beträgt die Beschleunigung z.B. nur noch ca. 0,5 m/s².
Sofern ein Fahrgast innerhalb der ersten zehn Sekunden nach der Abfahrt die Notbremse zieht, wird die Stadtbahn automatisch mit der maximalen Betriebsbremsung abgebremst. Das ist etwas anderes als die Gefahrenbremsung, denn die Schienenbremsen setzen nicht ein und es wird auch kein Sand gestreut. Die Notbremsung durch den Fahrgast ist zwar spürbar stärker als eine normale Bremsung zum Anhalten an einer Haltestelle, jedoch lange nicht so stark wie bei einer durch den Fahrer ausgelösten Gefahrenbremsung, bei der alle Bremsen einsetzen und Sandauswurf erfolgt.
Viele Grüße
Julia Müller
„Hätte ich als Fahrgast die Notsituation der Frau gesehen, hätte ich die Notbremse ziehen dürfen, um den Sturz zu verhindern?“
„Ich hoffe, diese kleine Notbremsen-Lehre schafft es, ein paar Hemmungen abzubauen.“
Keine Ahnung, hätte man jetzt ziehen sollen oder nicht?
Die Antwort gibt es im nächsten Absatz: „Sehe ich also, dass ich eine Gefahr mit einer Notbremsung verringern oder vermeiden kann, sollte ich die Notbremse ziehen. Im oben geschilderten Fall, wäre die Frau wahrscheinlich nicht gestürzt, wäre die Notbremse gezogen worden – die Gefahr wäre abgewendet und das Ziehen der Bremse hätte ihr geholfen.“
Eine Mitarbeiterin einer Eisenbahngesellschaft erklärte mir kürzlich, dass ein Winken mit beiden Armen, die sich dabei über dem Kopf kreuzen, ein deutliches Signal dafür sei, dass alle Züge in einem Bahnhof stehen bleiben müssen oder bremsen und anhalten müssen, bis klar ist, warum jemand gewunken hat. Stimmt das? Ich hatte davon zum ersten Mal gehört.
Aber ich habe auch aufgrund des obigen Artikels mit dem Nothalt am Bahnsteig mehrere Bekannte darauf angesprochen, die den Nothalt in den unterirdischen U-Bahn-Stationen noch nicht kannten. Das kannte ich schon, aber das mit dem Winken noch nicht.
Trifft das mit dem Winken mit beiden Armen, die sich dabei über dem Kopf kreuzen, tatsächlich so zu, wie ich es beschrieben habe? Und trifft es auch auf die oberidischen Stadtbahnstationen zu?
Die Kollegin der Eisenbahngesellschaft hat Recht. Winken ist ein offizielles Zeichen für „Stop“. Da das aber nicht wirklich verbreitet ist, kann es sein, dass es fehlinterpretiert wird. Das Ziehen des Nothalts ist daher die sicherere Variante.
Hallo,
Ich kenne die ÜSTRA schon lange. Was mir mal aufgefallen ist, das einige Haltestellen umbenannt worden sind. Auch die Buslinien hatten früher eine 2-Stellige Liniennummer. Dann wurden es 3-Stellig. Warum wurde das gemacht?
Ja, die Buslinien wurden vor knapp 25 Jahren in einem aufwendigen Projekt, samt Kundenbefragung und Quartiersanalysen, umbenannt. Damals kam auch ein ganzer Schwung neue Linien dazu, Fahrwege wurden verändert und um bei den vielen Buslinien eine bessere Übersicht zu schaffen, bekamen die Buslinien damals 3-stellige Nummern.
Was die Benennung der Haltestellen angeht, gab es keinen so „plötzlichen“ Einschnitt, wie bei den Liniennummern. Stattdessen ist das meist auf umbenannte Straßen zurück zu führen. Wenn eine Straße umbenannt wird, muss der Haltestellenname natürlich mitziehen. Grundsätzlich gilt der Anspruch: Die nächste Querstraße gibt der Haltestelle den Namen.
Hallo,
Ist denn die Branduhrsache bei den Brand im Busdepot schon bekannt?
Hier sollten auch Maßnahmen im Busdepot Vahrenwald gemacht werden, damit es nicht nochmal vorkommt. Ich nehme an, das alle Elektrobusse erstmal aus dem Verkehr gezogen werden, bis die Branduhrsache geklärt ist. Wahrscheinlich kommen die Elektrobusse erst einmal in die Werkstatt.
Hallo Carsten, die Brandursache ist noch nicht geklärt, genau. Dass die Elektrobusse erstmal nicht fahren, ist eine reine Vorsichtsmaßnahme.