„Busse ersetzen Stadtbahnen in der City“ könnte eine typische Pressemitteilung lauten, wenn ich mal wieder einen SEV ankündige. Dabei handelt es sich nicht um eine Sprachentwicklungsverzögerung (wird kurz auch SEV genannt) sondern um unsere Schienenersatzverkehre. Davon sprechen wir immer dann, wenn die Stadtbahnen nicht weiter fahren können und der Schienenverkehr durch Busse oder Taxen ersetzt werden muss. SEV können dabei von langer Hand geplant sein, zum Beispiel bei Baumaßnahmen wie jetzt an der Station Markthallte. In solchen Fällen weiß die üstra oft schon mehrere Monate vorher, an welchen Tagen die Stadtbahnen nicht ihre gewohnten Strecken zurücklegen können. Es gibt aber auch die plötzlich auftretenden Störungen wie Unfälle oder defekte Bahnen, die nicht vorhersehbar sind und einen spontanen Ersatzverkehr erfordern.

Etwa 15 bis 20 geplante SEV pro Jahr werden vom üstra Fahrplanbüro in Zusammenarbeit mit den Betriebsbereichen Bus und Bahn organisiert. Es gilt, Dienst- und Einsatzpläne anzupassen und die Fahrgäste frühzeitig und detailliert über die geplanten Maßnahmen zu informieren (z.B. via Facebook und Twitter oder über die Presse). In der Regel haben die Planer dafür mindestens zwei bis drei Monate Zeit. Nach Möglichkeit werden diese Maßnahmen in die Nacht, auf Wochenenden oder in die Ferien gelegt, damit so wenig Fahrgäste wie möglich auf dem Weg zur Arbeit oder in die Schule betroffen sind.
Anders sieht es bei ungeplanten Schienenersatzverkehren aus, die durchaus mehrmals die Woche, manchmal sogar mehrfach an einem Tag benötigt werden. Ursachen können Unfälle sein, aber auch defekte Stadtbahnwagen oder höhere Gewalt, wenn z.B. nach Unwettern Bäume auf den Gleisen liegen. In diesen Fällen arbeiten bis zu acht Mitarbeiter in der Betriebsleitstelle und vor Ort daran, möglichst schnell für Ersatz sorgen. Dazu gehört, je nach Störungsursache, sofort die Polizei und die Feuerwehr sowie alle sich im Einsatz befindlichen Fahrer zu benachrichtigen. Parallel dazu werden eventuell vorhandene Reservisten auf den Betriebshöfen alarmiert, die mit leerstehenden Bussen zum gesperrten Streckenabschnitt aufbrechen. Dieses Reservepersonal, das während seines Dienstes auf den Betriebshöfen Bürotätigkeiten nachgeht, steht in mehreren Schichten den gesamten Tag auf Abruf bereit, um so auch in Notfällen den Verkehr aufrecht erhalten zu können. Sind bereits alle Reservisten im Einsatz, können zudem Busse und Fahrer von kleineren Buslinien abgezogen oder üstra Taxen gerufen werden.
Wissen die Ersatzfahrer Bescheid, gilt es, die Fahrgäste über den Schienenersatzverkehr zu informieren. Mittels Durchsagen und der Laufschrift auf den digitalen Anzeigen wird ihnen erklärt, wie sie trotz der unbefahrbaren Strecke mit dem Ersatzverkehr weiterfahren können. Problematisch ist, dass aufgrund der Kürze der Zeit oft nur wenige Mitarbeiter die Fahrgäste vor Ort benachrichtigen können. Deshalb gibt die üstra seit 2014 auch über Twitter sämtliche Verkehrsmeldungen an die Fahrgäste weiter. Denn: je besser die Fahrgäste über die Störung und den SEV informiert sind, desto schneller können sie sich darauf einstellen und ohne großen Ärger an ihr Ziel kommen. Nach dem ungeplanten SEV müssen die Bahnen auf der freigegebenen Strecke wieder eingetaktet werden, also wieder in ihrem regelmäßigen Takt und vor allem pünktlich auf der Strecke sein, um auch Anschlüsse wieder garantieren zu können.
Damit bei der üstra alle beteiligten Fahrer, die Betriebsleitstelle sowie das Kundenzentrum auch die Routen und Teilstrecken der Ersatzverkehre kennen, verfügt die Betriebsleitstelle über ein 150 Seiten starkes Störungskonzept, dass alle wichtigen Fakten, Routen und Details zu jedem möglichen Streckenabschnitt beschreibt. Nur so wissen alle Mitarbeiter, wie im Störungsfall zu handeln und welche Ersatzhaltestellen anzufahren sind. Denn grundsätzlich hängt die Anzahl der zu ersetzenden Stationen eines Schienenersatzverkehrs nicht davon ab, wie viele Stationen eingeschränkt sind, sondern wo die Bahnen Wendemöglichkeiten, in Form von sogenannten Kehranlagen oder Weichen, haben. Wenn beispielsweise ein Unfall an der Pelikanstraße die Linien 3, 7 und 9 aufhält, muss ein SEV von der Haltestelle Lortzingstraße bis zur Station Klingerstraße eingerichtet werden, da die Bahnen nur an diesen Stationen ihre Richtung wechseln können. Die üstra Mitarbeiter sprechen dann auch davon, die „Linien zu brechen“, also eine Linie in zwei Teile, vor und hinter dem Unfall, aufzuteilen.
Trotz aller Vorkehrungen und Bemühungen gibt es aber auch bei der üstra Situationen, in denen nichts mehr geht. So legte Blitzeis an Heiligabend 2002 den gesamten Verkehr der üstra lahm, da die Oberleitungen vereist und die Straßen für die Busse zu glatt waren. Stundenlang saßen die üstra Fahrer in den Bahnen und auf den Betriebshöfen fest und warteten darauf, wieder weiterfahren und die Hannoveraner zu ihren Familien bringen zu können. Doch erst in den frühen Morgenstunden des 25. Dezember erlaubte das Wetter der üstra, ihren Betrieb wieder aufzunehmen. Abgesehen von solchen Wetterkatastrophen, vor denen selbst die üstra kapitulieren muss, stehen in Hannovers Nahverkehr jedoch nie alle Räder still. Auch wenn das jedes Mal ein logistischer Kraftakt ist: Der Fahrgast wird ans Ziel gebracht – egal ob Baumaßnahmen oder Unfälle im Weg sind. Und das 365 Tage im Jahr.