Kühl und regnerisch, wie so oft, war das Weihnachtsfest im Jahr 1974. Doch in Hannover-Linden gab es neues, frisches Grün. Helles Grün. Lindgrün. An abgelegener Stelle zu finden, am Lindener Hafenbahnhof. Auf zwei speziellen Transportwagen war dort just am 23. Dezember 1974 der erste neue Stadtbahnwagen der üstra eingetroffen. Nur einige Eingeweihte und Straßenbahnfans wussten davon. Offizell nämlich berührte der neue Wagen erst am 27. Dezember 1974 hannoverschen Boden. Dafür musste er zunächst vom Transportwagen, auf dem er vom Düsseldorfer Werk herangereist war, heruntergehoben werden. Eigens dafür war ein Platz betoniert worden, acht neue Hubwinden hatte die üstra beschafft, Mitarbeiter ausgebildet.
So war vor 40 Jahren, am Vormittag des 27. Dezember, alles bereit für den „Großen Bahnhof“ im kleinen Hafen-Bahnhof. Die üstra feierte ihren jüngsten Zugang, dem letztlich weitere 259 folgen sollten, und seine ersten Meter durch die Stadt im Schlepp eines Oldies von 1927. Zunächst waren nur 25 Fahrzeuge geordert, doch der damalige üstra Chef Wilhelm Pällmann, wie der Stadtbahnwagen längst eine Legende des Nahverkehrs, hatte die Erstbestellung mit viel Weitblick kurzerhand auf 100 Stück erhöht, noch bevor der erste fuhr. Der bekam die Nummer 6001, die er – wie den quietschgrünen Lack – noch heute trägt. Er ist 20 Jahre älter als der jüngste seiner Art, denn gebaut wurden die 28 Meter langen grünen Stadtbahnwagen, immer wieder leicht aktualisiert, bis 1993. Ein Erfolgsmodell, wie es nur ganz wenige gibt.
Die Farbe übrigens, zumeist als Lindgrün bezeichnet – die Nähe zum Namen seines Gestalters Prof. Herbert Lindinger soll Zufall sein – ist eigentlich ein Autolack, Opel Signalgrün L 308 sein voller Name. Was natürlich niemand sagt. In Hannover wurde aus dem Signal- über Lind- ohnehin schnell Üstragrün. Dieses frische Grün setzte nachhaltig Zeichen. Ein Signal zum Aufbruch in eine neue, erfolgreiche Zeit des Nahverkehrs in Hannover, dazu der Slogan „sicher, schnell, bequem“. Die zwischenzeitlich kommunalisierte, einst wenig beliebte üstra prägte mehr denn je die Stadt, gewann Sympathien für sich, für Bahnen und Busse. Zumal es Schlag auf Schlag ging: 1975 wurde die erste Tunnelstrecke eröffnet, 1976 fuhren die Stadtbahnen schon quer durch die Stadt, wenig später kamen neue Busse in Grün hinzu, ein neues Netz entstand. Grün stand dabei früh auch für Umweltschutz. Wer „die Grünen“ sagt, meint die Stadtbahnwagen. Hannover blühte auf, die üstra und ihr Nahverkehr bekamen ein neues Image, wurden zum viel beachteten Vorzeigemodell. Das knallige Grün ist bis heute Markenzeichen.
Triebwagen (kurz Tw) 6001 war für all dies der Auftakt, ein echter Meilenstein. Nach der EXPO2000, als weniger Fahrzeuge benötigt wurden, wäre er beinahe nach Budapest verkauft worden. Doch Meilensteine versetzt man nicht, Tw 6001 durfte bleiben. Engagierte Mitarbeiter hatten ihn geschützt zur Seite gestellt und betriebsbereit gehalten, gelegentlich kam er zum Einsatz. Zum letzten Mal im Messeverkehr 2006, nach fast genau 31 Jahren im Fahrgastbetrieb. Doch die Geschichte geht weiter: Seit Juni 2010 ist Tw 6001 ganz offiziell historisches Fahrzeug der üstra und bleibt langfristig erhalten, dient zusätzlich der Stadtbahn-Fahrschule als Lehrwagen. So ist er auch nach 40 Jahren weiter in der Stadt präsent. Wie man ihn schon von Weitem zwischen all den anderen, jüngeren Stadtbahnwagen erkennt? Tw 6001 ist der einzige, der noch die sogenannten Linienfilme hat, Liniennummer und Fahrtziel rundum klassisch schwarz-weiß anzeigt. Manchmal trägt er Fähnchen auf dem Dach. Und er ist wohl der einzige, der eine eigene Fangemeinde hat. Das muss man als Stadtbahn auch erst einmal schaffen.