Station „Kröpcke“, ein Montagabend im Dezember, kurz nach halb 9. Genau wie die anderen wartenden Fahrgäste schaue ich zwischen der digitalen Anzeige und meinem Handy hin und her, die nächste Bahn soll in vier Minuten kommen. Plötzlich höre ich ein lautes Hupen, fast wie ein Eisenbahnhorn. Zuerst schaue ich irritiert aufs Handy, aber da läuft kein Hörspiel von „Thomas der kleinen Lokomotive“. Der nächste Blick geht in Richtung der digitalen Fahrgastinfo – „Dienstwagen“ wird jetzt angezeigt und in dem Moment kommt ein gelber „Zug“ aus der Tunnelröhre. Auch die anderen Fahrgäste schauen von ihren Handys auf und gucken verdutzt diesem Fahrzeug hinterher, das gerade an ihnen vorbeischleicht. Murmelnd fragt man sich, was das sei. Die Antwort: eine Schienenfräsmaschine, die zum ersten Mal bei der ÜSTRA eingesetzt wird – ein Besuch beim Arbeitseinsatz.
Als die Maschine schließlich mit gemütlichen 15 km/h an ihrem heutigen Einsatzort, der Haltestelle „Friedenauer Straße“ auf der Linie 6, eintrudelt, warten schon mehrere Grüppchen in Warnwesten oder Baustellen-Kleidung auf sie. Die Personenanzahl ist größer als üblich bei Instandsetzungsmaßnahmen, denn die Schienenfräsmaschine ist quasi brandneu und hat noch nie auf hannoverschen Schienen gearbeitet. Darum sind neben der Stammbesetzung der Maschine noch weitere Begleiter vom Hersteller vor Ort. Auch das Strecken- und Instandhaltungsteam der ÜSTRA hat einige Kollegen mehr dabei, die die Maschine kennenlernen müssen.
Die Schiene fordert Zuneigung
Gehen wir aber zunächst einen Schritt zurück: Warum kommt ein tonnenschwerer Zug aus Österreich, der in Hannover die Schienen bearbeiten soll?
Der Grund ist die tägliche Belastung, der die Gleise ausgesetzt sind. Rund 40 Tonnen schwere Stadtbahnen, Abrieb durch das Aufeinandertreffen von Stadtbahnrad und Schiene – beides aus Stahl – setzen den Gleisen zu. Für die alltägliche Pflege sind der eigene Schleifwagen sowie der ÜSTRA Schienenreiniger zuständig.
In den vergangenen Jahren sind die Belastungen jedoch kontinuierlich gestiegen: Taktverdichtungen und längere Züge freuen zwar den Fahrgast, die Schienen fordern dann jedoch mehr Zuneigung. Aus diesem Grund müssen hin und wieder auch mal „schwerere Geschütze“ aufgefahren werden.
Aus „uneben und kantig“ mach „rund und ruhig“
Die Maschine ist eine Hochleistungsfräse, die pro Überfahrt eine bis zu 1 mm dicke Stahlschicht vom Schienenkopf abfräst. Direkt hinter dem Fräsrad sitzt eine Art Staubsaugerrohr, das sowohl Funken als auch abgefräste Teilchen absaugt. Dadurch bleibt im Gleisbett kaum Dreck zurück. Auch der „Lärm“, der beim Einsatz entsteht, ist für die Größe der Maschine überraschend gering – ein nicht unerheblicher Faktor, schließlich müssen die Gleise in Sperrpausen bzw. innerhalb der Betriebspause (sprich spätabends oder nachts) bearbeitet werden, um den Stadtbahnverkehr nicht völlig lahm zu legen.
Nachdem die Computer, die die Fräse steuern, eingestellt sind, senkt sich das Fräsrad ab und die Maschine, setzt sich in Bewegung – noch langsamer als zuvor. Denn nun bekommt die alte, in Längsrichtung unebene und im Profil kantige Schiene wieder eine ebene und runde Oberfläche, auf der die Stadtbahnen wieder ruhiger unterwegs sein werden.
Bei ihrem ersten Einsatz auf den Gleisen der Linie 6 gibt es einige Startschwierigkeiten. Das Schienenprofil hier stellt die junge Maschine vor neue Herausforderungen, sodass sie sich anfangs ein paar Mal „festbeißt“. Letztendlich ist es jedoch nur ein anfängliches Problem. Ein paar Einstellungsveränderungen später überwindet die Maschine auch diese Stelle und fräst nun relativ leise und langsam vor sich hin. Doch mit einmal „drüberfräsen“ ist es nicht unbedingt getan: Je nachdem, wie das jeweilige Schienenprofil aussieht, sind mehrere Überfahrten nötig. Dafür sind die ÜSTRA Kollegen vom Team „Oberbauschweißtechnik“ dabei. Sie entscheiden, wann die Schiene fertig bearbeitet ist. Auf der Strecke zwischen „Friedenauer Straße“ und „Nordhafen“ muss die Schienenfräsmaschine einige Stellen bis zu drei Mal überfahren bis wirklich alle Unebenheiten entfernt sind.
Nach sieben Stunden ist der erste Arbeitseinsatz beendet. 1.740 m Gleis haben heute Nacht die intensive Pflegebehandlung erhalten und glänzen nun fast wie neu.
Keine Maschine für eine Nacht
Sinnvollerweise mietet man ein solches Großgerät nicht nur für einen Arbeitseinsatz an. Darum geht es für die Schienenfräsmaschine zurück auf den Betriebshof Döhren bevor die ersten Ausläufer am frühen Morgen wieder in den Linienbetrieb starten. Von dort aus bricht sie in den nächsten vier Nächten zu weiteren „Schienen-Behandlungsmaßnahmen“ auf. Nachdem die Maschine am Montag zwischen den Kurszügen zu ihrem Einsatzort fuhr, um möglichst früh zu starten, geht es in den Folgenächten auf den Strecken C-Ost und B-Süd im Tunnel später los. Inzwischen hatten Fräsmaschine und ÜSTRA Schiene ja schon „Bekanntschaft miteinander gemacht“, es kann also direkt losgefräst werden.
Insgesamt war es eine erfolgreicher Test der Maschine: In den fünf Dezember-Nächten bekamen rund 5.700 m Gleis eine „Rasur“ durch die Schienenfräse. Das verursacht auch einen vollen „Staubsaugerbeutel“ – am Ende der Woche wurden knapp 5 Kubikmeter Stahlspäne entsorgt, die die Maschine bei der Arbeit eingesaugt hatte.
Mit Sicherheit war das nicht der letzte Besuch der „Schienenpflegerin“, denn wie wir wissen, brauchen die Gleise regelmäßig solche „Streicheleinheiten“.
Soso. Eine neue SchieneRassaBummm?
Unser Schienenschleifer, der unter diesem Namen im Einsatz ist, wird dadurch nicht ersetzt. Der wird weiterhin für die „Alltags-Instandhaltung“ benötigt. ;)
Hallo,
die Maschine scheint keinen Oberleitungsanschluss zu haben.
Mich würde interessieren wie die Schienenfräsmaschine dann betrieben wird?
Mit Diesel? Das fände ich von der CO2 Bilanz sehr schade. Außerdem würden die Abgase ja somit in die Tunnelstationen entlassen werden.
Hallo Andy,
ja, das ist richtig, dass die Maschine nicht an unserer Oberleitung „hing“. Sie läuft in der Tat mit Diesel – wie der Großteil der schweren Baumaschinen. So kann sie auch auf oberleitungsfreien Strecken, Baustellen und Ähnlichem eingesetzt werden. Alle dieselbetriebenen Fahrzeuge, die in Tunnelanlagen eingesetzt werden, müssen strenge Regeln zum Arbeits- und Gesundheitsschutz erfüllen. So existieren extra nachgeschaltete Filteranlagen in der Abgasbehandlung.
Die Schienenfräsmaschine ist durch den Dieselbetrieb am flexibelsten einsetzbar. Aber noch ein Hinweis: Das ist nicht unsere eigene Maschine, die „Großgeräte“ mieten wir für die Einsätze an.
Viele Grüße :)
Ich finde den Einsatz sehr interessant, wird es hierzu noch ein Video bzw. Art Reportage geben?
Liebe Grüße
Hallo Gino,
das freut uns, dass das Thema auf Interesse stößt. Auf unseren Social Media Kanälen gibt es derzeit in den Stories etwas Bewegtbild von der Maschine. Eine größere Reportage wird es von uns nicht geben, aber der Hersteller war Anfang Dezember auch in Hannover und hat die Maschine filmisch begleitet – bei Linsinger gibt es dann bestimmt noch mehr Details.
Viele Grüße
Mandy
Hallo,
auch ich finde dien Blog richtig spannend. Darin steht ja, dass 5700 m Schienen bearbeitet wurden.
Mich interessieren noch zwei Sachen:
1. Wie hoch ist so eine Schiene und wie oft kann der Schienenfräser drüberfahren?
2. Wie viele Meter oder km hat das Gleisnetz und wo sind die Schieneen besonders schwer beschädigt? Überall gleich oder in Kurven stärker?
Hallo Heike, das freut uns, wenn die Blogbeiträge gut ankommen :)
Ganz einfach lassen sich die beiden Fragen nicht beantworten. Vielleicht zunächst zur Gleislänge: Mit Werkstatt- und Kehrgleisen etc. haben wir fast 300 km Schiene. Grundsätzlich gibt es vielfältige Ursachen für Schäden. Verallgemeinernd kann man am ehesten sagen, dass Beschleunigungs-, Bremszonen und Kurven die meiste Belastung auszuhalten haben.
Zu Frage 1: Wir haben unterschiedliche Schienenprofile mit unterschiedlichem „Verschleißvorrat“ – der liegt ungefähr bei 20mm. Aber nur in den seltensten Fällen werden Gleise ausgetauscht, weil ihr Verschleißvorrat aufgebraucht ist. Deswegen können wir Ihnen die Frage so gar nicht beantworten.
Viele Grüße, Mandy