Vor 50 Jahren: Tatort Kirchrode
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Vor 50 Jahren: Tatort Kirchrode

Im Sommer 1970 gehörte eine kleine Ecke im Osten Hannovers kurzzeitig zu Leipzig. Hannoversche Straßenbahner steckten in Uniformen der Leipziger Verkehrsbetriebe und taten so, als führen sie mit ihrer ÜSTRA Bahn bis nach Markkleeberg: Zutaten für den allerersten „Tatort“.  

Wer von Frankfurt am Main nach Leipzig will, der wird nur in wirklich extrem seltenen Fällen in Kirchrode zur ÜSTRA umsteigen. Das war auch 1970 nicht anders und geschah trotzdem. Fahrgast Paul Trimmel, Dienstgrad Kriminalhauptkommissar, stieg in Kirchrode in die Linie 14 und war Sekunden später schon in Leipzig unterwegs. Zu den Wunderdingen, die dies vor 50 Jahren möglich machten, gehörten neben einer Straßenbahn der ÜSTRA samt Personal diverse Begleitpersonen, eine Filmkamera und vergleichsweise überschaubarer Technikaufwand.

Als am späten Vormittag des 28. August 1970 ein Sonderzug vom damaligen Betriebshof Kirchrode zur Endschleife am Stadtrand startete, da war zumindest die Linie 14 dort ganz normal. Das Ziel „Markkleeberg“ hingegen keineswegs und normalerweise überklebte die ÜSTRA auch weder ihren Namen noch die Werbeflächen.

Hannoverscher Stahlwagenzug als Linie 14 nach Markkleeberg in der Schleife Kirchrode/Stadtgrenze. (Foto: ÜSTRA Archiv)

In der Schleife Kirchrode/Stadtgrenze (Höhe heutige Haltestelle „Ostfeldstraße“ der Linie 5) wartete ein Filmteam des NDR aus Hamburg auf den ÜSTRA Stahlwagenzug. Mit dessen Eintreffen ging‘s los, es entstanden Filmszenen für den Fernsehkrimi „Taxi nach Leipzig“. Und in dem steigt der immer viel Ruhe ausstrahlende Hamburger Kommissar Paul Trimmel (Walter Richter, 1905–1985) eben in Leipzig in die Straßenbahn. Alles etwas konspirativ, es war schließlich die Zeit des „Kalten Krieges“. Dem NDR war es also unmöglich, in Leipzig zu drehen. Und dann auch noch einen Krimi! Also Hannover. Vom Betriebshof Kirchrode kamen der Schaffner Heinrich Dettmer und der Fahrer Heinrich Beiße.

Beiden war ein Leipziger Stadtwappen auf die grauen Ärmel genäht worden – der NDR achtete eben auch auf Details. Nur die 14, die fuhr auch in Leipzig 1970 nicht nach Markkleeberg. Eigentlich sogar … nie.

Ost-West-Verbindung: Hannoversche „14“ nach Markkleeberg in handgemalter Schrift aus der Lackiererei Glocksee. (Foto: ÜSTRA Archiv)

Paul Trimmels Fahrt nach dem Einsteigen ist im Film nur kurz. Der Stahlwagen ist (zumindest für ältere Hannoveraner) auch innen unverkennbar, aber die Kameraführung so geschickt, dass die Tiergartenstraße absolut nicht als Stück Westdeutschland auftritt. Diese Straßenbahn könnte so ziemlich überall unterwegs sein. Überhaupt spielt sie nur eine Rolle am Rande, die ganze Szene von Ankunft über Einsteigen und Platznehmen bis zur Fahrt dauert gerade einmal 41 Sekunden im 88-Minuten-Farbfilm. Der wurde noch vor der Erstausstrahlung am 29. November 1970 vom normalen Fernsehkrimi zur Auftaktfolge der bis heute sehr erfolgreichen Reihe „Tatort“ im Ersten befördert. Und somit entstand ein kleiner Teil des allerersten „Tatorts“ mit hannoverscher Unterstützung.

Kameramann, Regisseur und (rechts) Hauptdarsteller Walter Richter in Kirchrode. (Foto: ÜSTRA Archiv)

Übrigens spielt die ÜSTRA insgesamt in so einigen Filmen mit, teilweise waren diese schon seit den 1930er Jahren vom Unternehmen selbst initiiert worden, mit der Straßenbahn Hannover und ihren stets dienstbeflissenen Mitarbeitern im Fokus. Einige dieser älteren Imagefilme wurden zwischenzeitlich digital restauriert und sind heute beispielweise im Künstlerhaus und im Historischen Museum auf DVD erhältlich.

„Taxi nach Leipzig, 78/6 die erste!“ am Rande der Stadt Hannover. (Foto: ÜSTRA Archiv)

Einen umfangreicheren Fernsehauftritt hatte 2008 die U-Station Kröpcke, erneut beim NDR. Für den rund 15-minütigen Schluss-Showdown des in Hamburg spielenden Extremisten-Thrillers „Der verlorene Sohn“ gab die Station Kröpcke sich als Hamburger S-Bahn-Halt, TW 2000 inklusive. Mancher Zuschauer mag es bei der Erstausstrahlung verwundert registriert haben. Ähnlich wie einst das seltsame Ziel „Markkleeberg“ an der hannoverschen Tram.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Auch in dem Stahlnetz-Krimi PSI spielte die Üstra eine Rolle, ich glaube die Station Christuskirche. Den Kommissar Klaus Borowski spielte Axel Milberg, der später für den Tatort nach Kiel versetzt wurde.

  2. Wahnsinn. Ein absolutes Tatort-Highligt. Und das mit hannoverscher Unterstützung.
    Allerdings dürfte das Gequietsche nicht annähernd das Leipziger Level erreicht haben. Danke für die schönen Bilder.

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