Aus. Vorbei. Die Instrumente schweigen – es gibt kein ÜSTRA Blasorchester mehr. Zum Jahresende 2020 hat Dirigent und Orchesterleiter Armin Berlich die Notenmappen zugeklappt und weggeschlossen. Das weit über die ÜSTRA und auch weit über Hannover hinaus bekannte Orchester ist nach 92 Jahren Vergangenheit. Tatsächlich ging dieser traditionsreiche und stets hörbare Teil gelebter Unternehmensgeschichte ganz buchstäblich sang- und klanglos zu Ende. Kein Tusch, kein Adé. Keine „alten Kameraden“ mehr und kein letztes „Thank you for the music“. Stille. Orchesterleiter Armin Berlich, seit 1983 mit dem Flügelhorn dabei und seit 1989 musikalischer Leiter der Truppe, blickt im Gespräch zurück und erläutert Hintergründe – nicht ohne leise Hoffnung auf einen möglichen Neubeginn.
Die Musiker in ÜSTRA Dienstkleidung waren gerade in den vergangenen 30 Jahren verstärkt öffentlich präsent, in und um Hannover. Ob Schützenausmarsch, Regions-Entdeckertag, ÜSTRA- und andere Nahverkehrs-Veranstaltungen oder Weihnachtskonzerte – die „ÜSTRA Kapelle“ war fester Bestandteil. Und sie spielte, da mag es Vorurteile geben, längst schon nicht mehr vorrangig Märsche, Walzer und Polka. Im Gegenteil! Das Repertoire war moderner und flotter ausgerichtet. Bekannte Lieder und Schlager traten neben Traditionelles. Mitsingen: erlaubt, erhofft. Der musikalische Erfolg seit der Neuausrichtung gab Armin Berlich Recht. Mehr Swing, frische Melodien, moderne Weihnachtslieder – Berlichs Leitung veränderte und erweiterte die Bandbreite. Plötzlich spielten erkennbar verjüngte Musiker erkennbar verjüngte Musik. Ein Achtungserfolg war dabei jahrelang zum Entdeckertag der viel beachtete, zentrale Auftritt an der Jazzbühne direkt vor dem Opernhaus.
Das Blasorchester als feste Größte beim Schützenausmarsch
Kilometerlangen Applaus gab es stets im Sommer bei den Teilnahmen am Schützenausmarsch. Hier war das ÜSTRA Blasorchester neben dem originalen, weit über hundert Jahre alten, Pferdeomnibus seit 1992 dabei, also seit der Feier des „100. Geburtstages“ des hannoverschen Verkehrsunternehmens. Das bringt nicht nur Hannover nach morgen, sondern manchmal auch Herzen zum Schmelzen… Dabei ist es gar nicht so leicht, beim Ausmarsch zugesteckte rote Rosen an einer Tuba zu befestigen. Rote Mützen und Nasen gab es dagegen alljährlich beim Weihnachtskonzert am Kundenzentrum, am Platz der Weltausstellung, mitten in der Stadt und gleich beim Weihnachtsmarkt um die Ecke. Orchesterleiter Armin Berlich konnte dabei viel Publikum begrüßen und zum Mitsingen animieren, darunter mischte sich oft auch Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder. Ein Dirigent hat eben den Überblick. A pro pos Mitsingen: Dafür hatte Berlich ursprünglich zum Schützenausmarsch die gute alte „Rosamunde“ einstudieren lassen: „was gut ankam, weil sonst weitestgehend Traditionsmärsche gespielt werden.“, sagt er mit der berühmten kleine Träne im Knopfloch.
Buntes Publikum, unterschiedliche Programme, kraftvolle Auftritte der Bläser und Trommler – das ist nun aus und vorbei. War Corona schuld? Ja und nein, denn es gibt nicht den einen Hauptgrund für das Verstummen der Musiker. Es gab weder einen unmittelbaren Anlass noch innerbetriebliche Gründe, schon gar keinen Verursacher. Auch das Corona-Virus hatte nicht allein die Kraft, das Blasorchester auszubremsen. Vielmehr war es ein schleichender Prozess, waren über längere Zeit hinweg einige Faktoren zusammengekommen, berichtet Armin Berlich: „Bevor andere über uns entscheiden müssen, haben Dieter Wlodarski, der jahrelang eng mit mir zusammenarbeitete, und ich uns nach vielen Gesprächen in den letzten Jahren und interner Abstimmung von uns auf aufgehört.“ Musizieren gehört heutzutage nicht mehr zu den bevorzugten Freizeitbeschäftigungen. Neue Mitspieler zu finden war trotz langer, intensiver Suche und vieler Gespräche im Unternehmen mit zu wenig Erfolg verbunden.
„Da blutet mein ÜSTRA Herz.“
Die schmerzliche End-Entscheidung war natürlich dem Unternehmen dann auch mitzuteilen. Keine ÜSTRA Musik mehr? „Wenig Dinge sind mir bisher so schwer gefallen, wie zu akzeptieren, dass wir unser Orchester nicht mehr aufrechterhalten können“, sagt Denise Hain, die auch für die Haus-Musik zuständige Vorständin: „Da blutet mein ÜSTRA Herz schon sehr.“ Zumal das eigene Orchester über Jahrzehnte auch die traditionelle Senioren-Weihnachtsfeier im Kuppelsaal der Stadthalle mit hunderten Gästen musikalisch fulminant gestaltete. Beides zusammen fand es nun 2019 zum letzten Mal statt, denn 2020 gab schon Corona den Takt an.
Ehrlicherweise sah das ÜSTRA Blasorchester allerdings schon lange nach mehr ÜSTRA aus, als es eigentlich war. Einst bestand es nur aus aktiven Mitarbeitern, aus denen nach und nach immer mehr Ruheständler wurden, die so weiter dem Unternehmen und seinem Orchester verbunden blieben. Oft bis zu ihrem Tod. Bei aktiven Fahrern wurde auf die wöchentlichen Probentermine bei der Diensteinteilung so weit wie möglich Rücksicht genommen, aber ihr Anteil an den bis zu 40 Musikern wurde immer kleiner. 2018, zum 90-jährigen Bestehen der Gruppe, waren noch acht ÜSTRAner dabei, 2020 aber schon nur noch vier. Die anderen: Pensionäre, so genannte „Fremdmusiker“ wie Kollegen aus anderen Unternehmen und Bekannte aus anderen Orchestern. Berlich selbst spielt in mehreren Formationen. Man kennt sich, man hilft sich. Aber das gemeinsame Proben wurde so immer schwieriger, obwohl unterschiedliche Termine versucht wurden. 2018, im Jahr des 90-jährigen Bestehens, war es nicht mehr gelungen, auch nur ein neues Stück einzustudieren. Stets waren zu wenige Musiker präsent. Tendenz: weiter fallend. Schon vor Corona, wobei die Pandemie die völlige Einstellung des Probenbetriebes bedingte und nahezu sämtliche Auftritte wegen Veranstaltungsabsagen verhinderte.
Nur ein Auftritt 2020
Der letzte Auftritt, zugleich der einzige im ganzen Jahr 2020, geriet mangels gemeinsamer Spielpraxis musikalisch etwas unscharf. „Aber wir stehen doch für die ÜSTRA, die wir repräsentieren“, wiederholt Kapellmeister Berlich, der stets auf Sorgfalt und Disziplin, auf Vielfalt und gute Musik setzt. Dieser letzte Auftritt fand im Sommer 2020 statt, auf ungewohnt großer Fläche – wegen der Distanzgebote – im Hannoverschen Straßenbahnmuseum in Sehnde-Wehmingen. Dort spielte Berlich immer besonders gerne, nicht nur wegen des Ambientes, wofür er dem „HSM“ ausdrücklich dankt. Hier hatten die Zuhörer mehr Muße und Zeit als Passanten in der Stadt. Vier Stunden konnte ein Konzert hier durchaus dauern, und genau solche Erlebnisse werden ihm trotz oft hoher Sommertemperaturen künftig fehlen.
Das 1928 gegründete ÜSTRA Orchester war als Unternehmensmusik inzwischen eine Ausnahme. Diese alte Tradition lebt in Norddeutschland nicht mehr. In Bayern, Tschechien und Österreich, wo Berlich gern Urlaub macht und vielerlei musikalische Inspiration findet, ist das ganz anders. Weit und breit gibt es in der Region Hannover an ähnlichen Orchestern in vergleichbarer Größe ansonsten nur noch das Polizeimusikcorps, „Opus112“ der Feuerwehr, das Blasorchester Langenhagen und das Regionsorchester Hannover. Nun ist es also wieder eines weniger.
„Die Noten sind noch warm.“
Armin Berlich selbst fällt keineswegs in ein Loch. Er spielt ja in mehreren Orchestern und Gruppen: „Musik ist mein Leben“. Und das werde auch immer so bleiben. Dreieinhalb Jahre ist er noch bei der ÜSTRA, gestaltet Dienstpläne im Unternehmensbereich Bus. Fahrpläne sind seine zweite große Leidenschaft neben der Musik, er hat Zahlen und Noten im Kopf. Und dann sagt er, der einst mit Kirchenmusik begann und sich stets fortbildete, noch etwas: Wenn sich jemand fände, die Musikertradition der ÜSTRA wieder aufzunehmen, neu aufzustellen, einen neuen Anfang zu wagen – er wäre dabei. Als Musiker. Mit dem Flügelhorn. Nicht als Dirigent. Nicht als Orchesterleiter. Aber Aufbauhilfe, die gäbe er: „Wir könnten morgen wieder anfangen. Die Noten sind noch warm. Es kann ein Revival geben“.
Bis dahin: „Thank you for the music“!
Ich kann es nicht glauben, dass das es das Üstra Orchester nicht mehr gibt. Ich war immer ein begeisterter Zuhörer, ob bei der Weihnachtsfeier, bei offiziellen Üstra Veranstaltungen oder beim Schützenfest. Ich habe 1992 die Idee.gehabt das Blasorchester und den Pferdeomnibus am Scchützenfest teilnehmen zu lassen, ich bin auch bis zu meinem Ruhestand immer mitgelaufen.Es war eine schöne Zeit mit dem Orchester. Danke Armin und danke an die Mitglieder des Orchesters.
Danke gut diesen interessanten Rückblick. Auch wenn ich persönlich nichts mit dem Orchester zu tun hatte, macht mich der „Niedergang“ etwas traurig.
Ich kann es nicht glauben,,..aus..vorbei..Ende? aber wer weiss es schon genau,..
im Leben ist vieles möglich.
Als Eisenbahner kam ich 1998 zum Üstra -Blasorchester. So ein Übergang ist ja kein Problem, zumal beide Betriebe die gleiche Spurbreite haben.
Dank des Dirigenten Armin Berlich war es kein Problem meinen Platz beim Ü-Blasorchester zu finden.
Es hat mir und den meisten,immer Spass gemacht dort mit zu musizieren.
Dank der guten ,genauen und vorausschauenden Organisation von Armin ,war es insgesamt gesehen eine sehr gute Zeit.
Ob das die Weihnachtskonzerte in der Stadthalle, vor dem Üstra Zentrum, oder die vielen Schützenfestumzüge zusammen mit dem Vorstand und Mitgliedern der Üstra;
jeder Auftritt und Präsentation hat einfach Spass gemacht,.perfekt organisiert von Armin Berlich
Danke, dass ich diese Zeit bei der Üstra mit erleben durfte, es hat einfach immer Spass und Freude gemacht.
Danke ÜSTRA
Danke Armin,…und denk dran,.. meine Tuba ist noch warm,.man weiss ja nie.
In Bayern gibt es in jedem sogar Dorf eine Blaskapelle, Hannover kann sich wenig leisten. Schande, dass seid ein paar Jahren in der Verwaltung der Üstra wenig Interesse und Unterstützung für uns Musiker war. Danke, danke, danke, …
Ich war nur eine kleine Angestellte bei der Üstra und begeisterte Zuhörerin des Üstra- Orchesters, insbesondere bei sehr vielen Weihnachtsfeiern. Für mich war es sehr beeindruckend und der Höhepunkt der Veranstaltung. Nebenbei konnte man sich mit sehr vielen Kolleginnen und Kollegen unterhalten und es war immer ein Erlebnis. Ich habe bis heute (siehe Datum) noch keine Einladung zu einer Weihnachtsfeier (Senioren) im Kuppelsaal der Stadthalle erhalten. Warum hat meine damalige Kollegin eine Einladung erhalten, obwohl sie nicht lange bei der üstra gearbeitet hat. Wie soll ich das verstehen?
Ich habe das an die Kolleginnen und Kollegen weitergegeben. Diese melden sich bei Ihnen!