TW 6000 in Budapest – Eine zweite Heimat in der Ferne
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TW 6000 in Budapest – Eine zweite Heimat in der Ferne

Die grünen Stadtbahnen der üstra: Für manche Fahrgäste sind sie einfach reif für die Rente, doch für mich und viele andere sind sie jahrelange Wegbegleiter und -bereiter. Sie haben meine Sicht auf öffentlichen Nahverkehr geprägt und ich möchte die vielen Fahrten mit ihnen nicht missen. Umso erfreulicher ist es daher zu sehen, dass einige ältere TW 6000 nach ihrem hannoverschen Dienst auch weiterhin im Einsatz bleiben – in Budapest. 2001 traf der erste Wagen in Ungarns Hauptstadt ein; 99 seiner Geschwister folgten ihm bis jetzt dorthin. Im vergangenen Sommer konnte ich mir ansehen, wie gut sich die Grünen in ihrer neuen Familie eingelebt haben, Farbwechsel inklusive.

Budapest hat einen sehr großen und auch abwechslungsreichen Verkehrsbetrieb: die BKV. Egal ob S-Bahnen, die klassische U-Bahn (unterirdisch), Straßenbahnen (oberirdisch), O-Busse (Elektrobusse mit Oberleitungskontakt – nicht wie in Hannover mit Akku), „normale“ Dieselbusse sowie eine Zahnradbahn und eine Standseilbahn – in Budapest kommt jeder ÖPNV-Fan auf seine Kosten. Aber es geht noch weiter, auch zu Wasser und in der Luft hat die ungarische Hauptstadt etwas zu bieten: Hinzu kommen nämlich noch Fährverbindungen auf der Donau und ein Sessellift.

Allein bei der oberirdisch fahrenden Straßenbahn gibt es aktuell 35 Linien (Quelle: www.bkk.hu), die von den unterschiedlichsten Bahnen bedient werden. Es gibt Achtachser der Firma Ganz modernisiert und unmodernisiert, 4-achsige Tatra-Triebwagen, TW 6000, 12-achsige Combino-Niederflurfahrzeuge mit einer Länge von 54m, dann außerdem noch weitere Niederflurfahrzeuge vom Typ Urbos als fünfteilige oder neunteilige Ausführung, letztere hat eine Länge von 56 Meter. Nun gehört auch „unser“ TW 6000 dazu und ersetzt ältere Straßenbahnen aus den 1950er und 60er Jahren. Seine Typbezeichnung hat er behalten (obwohl die Fahrzeuge völlig andere Wagennummern besitzen) und einen neuen Spitznamen hat er auch: die Banane. Grün kam er in Budapest an und trägt nun knalliges gelb.

Die alten Wagennummern sind auch in Budapest geblieben, dennoch hat sich der 6002 ein wenig verändert. (Fotos: Stephan Elze)

Neben dieser einheitlichen äußerlichen Veränderung, sieht beinahe jeder Wagen von innen unterschiedlich aus. In der Regel steht die ursprüngliche Fahrzeugnummer noch über dem Fahrerstand. Die Fahrtzielanzeiger wurden modernisiert. Statt klassischer Rollbänder aus Kunststoff gibt es unterschiedliche Digitalanzeigen. Das in Hannover typische IBIS-Gerät im Fahrerstand für die Eingabe der Linie und des Fahrtzieles wurde im Zuge einer generellen Erneuerung des Betriebsleitsystems durch Bordrechner ersetzt. Selbst bei Türen und Fußboden gibt es inzwischen verschiedene Varianten. Die Türen wurden zu Beginn nicht wie außen gelb lackiert. Erst nach und nach weicht auch hier das Grün einem neuen hellgrauen Anstrich. Auch der Fußbodenbelag wird peu à peu ersetzt. Dies hat weniger ästhetische und mehr praktische Gründe: Die Betriebshöfe bekommen eine Waschstraße direkt am Einlaufgleis. So erhalten die Fahrzeuge ihre tägliche Wäsche außen und innen. Mit dem neuen Boden trocknet der Zug schneller nach der anschließenden Innenreinigung noch schneller und er ist einfacher sauber zu halten.

Blitzeblank fährt er so durch Budapest und ist auf mehreren verschiedenen Linien unterwegs. In der Regel trifft man ihn auf der östlichen Seite der Donau, also in Pest, an. In Buda fährt er bisher nur sehr selten, meist im Rahmen von Sonderfahrten. Das könnte sich ändern, wenn der BKV wie geplant alle Strecken im Zuge von Erneuerungsmaßnahmen für möglichst alle Fahrzeugtypen nutzbar macht. Schon in den vergangenen Jahren wurde viel investiert und Grundsanierungen durchgeführt – und zwar gründlich. Manche Gegenden und Haltestellen konnte ich im Vergleich zu meinen letzten Besuchen kaum mehr wiedererkennen. Diese großen Veränderungen verbessern aber nicht nur die Infrastruktur, sie machen auch den Fahrzeugeinsatz flexibler.

Es hat sich eine Menge getan – manche Haltestellen sind nach Jahren gar nicht mehr wieder zu erkennen. (Foto: Stephan Elze)

Ich drücke dem BKV und dem TW 6000 auf jeden Fall die Daumen für die Streckenanpassung. Denn was könnte es schöneres geben als mit einer „meiner“ Grünen irgendwann in der Zukunft an einem sonnigen Tag am Ufer der Donau entlang zu fahren. Die Strecken dazu gäbe es ja schon einmal…

5 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Hallo Stephan,

    vielen Dank für den ausführlichen Bericht.
    Hoffentlich bleiben uns hier in Hannover auch noch reichlich TW-6000 erhalten.

    Der TW-6000 Liebhaber

  2. In den letzten Sommerferien hatte ich auch die Gelegenheit, mit den TW 6000 in Budapest zu fahren. Nach einer abenteuerlichen Nachtzugfahrt aus Prag stand, mitten im Regen, ein orangener TW 6000 am Keleti pályaudvar (Ostbahnhof) und brachte mich zum Hotel. Budapest kann aber, abgesehen vom Wetter (entweder Regen oder Hitze), auf jeden Fall sehr empfehlen.

  3. HalloStephan,
    der TW 6000 hat ja Klapptrittstufen, damit er sowohl an Hochbahnsteigen halten kann, als auch an Niederflurbahnsteigen, bzw. klassisch Straßenbahn-mäßig einfach auf der Straße.
    Werden denn in Budapest auch Hochbahnsteige gebaut, wie hier in Hannover? Und gibt es dort bereits solche Hochbahnsteige, so dass die Klapptrittstufentechnik der TW 3000 Straßenbahnen wie hier in Hannover zum Beispiel auf der Linie 9 mal so (Ausstieg tief) und mal so (ebenerdiger Ausstieg hoch) zum Einsatz kommt?
    Oder verzichtet man in Budapest gänzlich auf den Bau von Hochbahnsteigen und strebt dort an die TW 3000, sukzessive durch Niederflurbahnen zu ersetzen?
    Oder arbeitet man in Budapest daran, bestimmte Straßenbahnstrecken mit Hochbahnsteigen für Hochflur-Straßenbahnen auszustatten, und andere Straßenbahnstrecken mit Niederflurstraßenbahnen zu betreiben?
    Die Tatra-Straßenbahnen, die du in deinem Bericht erwähnt hast, haben doch vermutlich alle einen Einstieg mit Treppe und sind nicht mit Klapptrittstufen ausgestattet. Oder fahren in Budapest auch Tatra-Straßenbahnen, mit einem Niederflur-Mittelteil?
    Bin gerade mal mit google-street-view nach Budapest gereist. Hier ein Bild mit gleich zwei „Bananen“, die früher mal in Hannover fuhren:
    https://www.google.de/maps/@47.4919885,19.0883626,3a,75y,270h,90t/data=!3m6!1e1!3m4!1sd2d1bjF0XZCazs7UUcV8BQ!2e0!7i13312!8i6656!6m1!1e1
    Hochbahnsteige konnte ich allerdings nicht entdecken.

    • Der Bau von Hochbahnsteigen ist in Budapest derzeit nicht geplant, da fast auf allen Strecken mehrere Linien zusammen fahren. Zumindest in fast jedem Linienverlauf kommt es zu Berührungspunkten mit anderen Linien. Die einzigen Ausnahmen, die mir spontan einfallen sind die Linie 1 (dort werden die 9-teiligen CAF eingesetzt) und die Linie 50 (hier fast ausschließlich TW 6000). Bei der Linie 50 sind langfristig diverse Optionen denkbar. Sie fährt ohne Verbindung zum Restnetz (es gibt nur eine Verbindung zum Betriebshof), dafür ist sie stark ausgelastet und hat als Haupthindernis eine höhengleiche Kreuzung mit einer Eisenbahnlinie. Das bedeutet, dass in der Hauptverkehrszeit bei einem 4-5-Minutentakt Fahrzeugkolonnen vorprogrammiert sind.

      Im Grunde genommen gibt es zum Niederflursystem in Budapest keine Alternative. Hochflurfahrzeuge wird es aber noch lange im Straßenbahnbetrieb geben, da die Erneuerung der Fahrzeugflotte nur ein Teil der anstehenden Aufgaben ist. Die Erneuerung der Strecken ist teilweise wesentlich drängender, ebenso müssen viele Betriebshöfe dringend modernisiert werden. Werden Strecken erneuert, so ist dies oftmals mit großem Aufwand verbunden.

      Niederflurstraßenbahnen werden in der Regel vorrangig auf den fahrgaststärksten Linien eingesetzt (1, 3, 4, 6), wobei auf der 1 und der 3 durchaus auch hochflurige Fahrzeuge zum Einsatz kommen. Bei diesen Linien gilt die Devise: Hauptsache wir bekommen die Fahrgäste überhaupt befördert. Der Andrang ist dort schon erheblich… Bei den reinen Hochflurlinien ist es so, dass dort noch nie Niederflurfahrzeuge gefahren sind und daher die Leute sich eher über größere Fahrzeuge freuen. Andererseits gibt es für Mobilitätseingeschränkte eine einfache Alternative: ein teilweise gut ausgebautes Bus- und O-Busnetz. Dort fahren überwiegend Niederflurfahrzeuge. Und wie ich selbst feststellen durfte: mit dem Bus ist man teilweise auch recht flott unterwegs.

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