Dienstagnachmittag, 15 Uhr 21: Fahrerwechsel auf der Linie 100 an der Haltestelle Jahnplatz. Rainer Giersberg macht es sich hinterm Steuer bequem. Er ist seit über 25 Jahren Busfahrer bei der ÜSTRA und fährt regelmäßig auf der Ringlinie 100/200 durch Hannovers City. Die sogenannte Erlebnislinie passiert auf ihrer kreisförmigen Route zahlreiche Sehenswürdigkeiten, hat aber gleichzeitig auch ihre Tücken. Diese möchte ich gerne aus Fahrerperspektive kennenlernen und begleite deshalb Rainer heute auf seiner Tour durch die Stadt.
Während Rainer den Fahrersitz justiert und die Seitenspiegel einstellt, gibt er mir schon mal einen kleinen Vorgeschmack, was die Linie 100/200 im Kollegenkreis für einen Ruf hat: „Also, zu der 100/200 hat wahrscheinlich jeder eine eigene Meinung. Manche Kollegen lieben die Tour durch die Stadt mit ihren engen Gassen und zahlreichen Kurven. Andere finden die Linie ziemlich stressig, da man oft auf Kreuzungen feststeckt oder sich mit Falschparkern rumärgern muss. Ich sehe das Ganze ziemlich neutral, aber ein Erlebnis ist die Linie auch für uns Fahrer allemal.“
Klingt spannend! Und jetzt möchte ich auch erleben, was hinter dem ÜSTRA Mythos 100/200 aus Fahrersicht steckt. Zuerst geht es in Richtung Nordstadt auf den Engelbosteler Damm. Erstes Hindernis: Kurz hinter der Haltestelle Kopernikusstraße versperrt ein Paketzusteller den Weg. Da wir beim Fahrerwechsel schon fünf Minuten hinterm Fahrplan hingen, macht sich in mir schnell eine gewisse Unruhe breit. Doch Rainer bleibt entspannt. „Das ist normal auf dem E-Damm. Ich bleibe jetzt so stehen, bis der Gegenverkehr etwas nachlässt oder bis der Zusteller weiterfährt.“ An der Christuskirche wartet bereits eine Menschentraube sehnsüchtig auf ihren Bus. Der Fahrgastwechsel klappt ziemlich zügig und die Ampel springt auf grün. Gerade als wir anfahren wollen, sprintet ein junger Mann zum Bus. Rainer öffnet nochmal die Tür, lässt ihn einsteigen und verkauft auf Wunsch ein TagesEinzelTicket. Die Grünphase ist inzwischen vorbei – wir warten.
„Wir haben zwar an vielen großen Kreuzungen – wie am Aegidientorplatz oder an der Glocksee – eine Vorrangschaltung, um möglichst flüssig durch den Verkehr zu kommen“, erklärt mir Rainer, „aber diese hier, haben wir jetzt gerade verpasst.“ Am Königsworther Platz staut sich bereits der Feierabendverkehr und wir stehen mittendrin. In Richtung Linden können wir endlich ein wenig durchschnaufen. Der Verkehr läuft, zumindest bis zum Lindener Marktplatz. Dort parkt ein Lieferwagen in zweiter Reihe. Die Straße ist eng und der Wagen steht so ungünstig, dass wir mit dem Bus nicht vorbeikommen. Rainer macht eine kurze Durchsage an die Fahrgäste, dass es hoffentlich gleich weitergehe. Da der Akku unseres Elektrobusses nur noch zur Hälfte voll ist, wird die Gelegenheit genutzt um die Leitstelle anzufunken: „Ok, wir laden dann den Bus am Endpunkt August-Holweg-Platz vollständig auf.“ Inzwischen lässt sich auch der Fahrer des Lieferwagens blicken und macht den Weg frei – natürlich in aller Seelenruhe. Über solche Störungen ärgert sich Rainer Giersberg aber überhaupt nicht: „Meistens klären sich diese Situationen relativ schnell und wenn nicht, dann halte ich Rücksprache mit der Leitstelle. Wenn irgendwo gar nichts mehr geht, werden auch die nachfolgenden Busse informiert, sodass sie den Bereich umfahren können. Es bringt ja nichts, wenn sich drei Busse festfahren. Man muss auf dieser Linie halt immer etwas flexibel sein.“ Rainer bringt so leicht nichts aus der Ruhe, auch nicht die knapp zwanzig Minuten Verspätung, die sich im Laufe der Zeit summiert haben.
Am Endpunkt August-Holweg-Platz wird der E-Bus erstmal geladen. In Rücksprache mit der Leitstelle haben wir vereinbart, dass unser Bus so lange durch einen anderen ersetzt wird. Diese Zwangspause nutzt Rainer, um noch ein wenig über die Ringlinie zu philosophieren: „Also, auf der 100/200 muss man als Fahrer hundertprozentig fit sein und das den ganzen Dienst hinweg.“ Morgens und am Nachmittag spiele der Berufsverkehr eine große Rolle. In der Zwischenzeit, wenn auf den Straßen mal etwas weniger los sein sollte, warten auf Fahrerin und Fahrer jedoch oftmals andere Herausforderungen: „Am späten Vormittag zum Beispiel, da habe ich viele Kinderwagen und Rollatoren an Bord. Logischerweise dauert dann der Ein- und Ausstieg länger und die Rampe muss ebenfalls häufiger ausgefahren werden. Ich nehme mir dann einfach die Zeit, die Sicherheit der Fahrgäste zählt“.
Während der Elektrobus lädt, fahren in kurzen Intervallen andere Busse der Linie 100/200 an uns vorbei. Eine perfekte Überleitung für mich, um Rainer zu fragen, wie es denn sein kann, dass manchmal zwei Busse der Linie 100/200 genau hintereinander fahren. Ein Phänomen, das Rainer mir gerne erklärt: „Nehmen wir an, du fährst mit deinem Bus und musst beispielsweise hinter der Müllabfuhr auf dem E-Damm herfahren. Da kann man schon mal 6 Minuten verlieren. Dann kommt noch ein Falschparker in der Grabestraße hinzu und schon hast du locker acht Minuten Verspätung. Am Vahrenwalder Platz steigen viele Fahrgäste ein und aus. Du bist schon spät dran und nimmst bereits Passagiere vom nachfolgenden Bus mit. Dieser fährt demzufolge fast leer und holt immer mehr auf. Und so kommt’s, dass du ruck, zuck deine Kollegin oder deinen Kollegen im Rückspiegel siehst.“ Nachdem wir das geklärt haben, sind die Akkus geladen und Rainer teilt der Leitstelle mit, dass wir wieder einsatzbereit sind. Am Kröpcke sollen wir wieder in den regulären Fahrplan einsteigen. „Das passt mir gut“, grinst Rainer, „am Kröpcke ist nur vor Weihnachten viel Verkehr.“ Tatsächlich kommen wir vom Kröpcke bis zum Stadionbad richtig gut durch. „Manchmal läuft das auch so, Timo, aber das kann man bei der Linie 100/200 nie planen.“
So geht unsere Ringfahrt durch die City weiter. Immer wieder kommt es zu Staus, Autos stehen in zweiter Reihe oder Fahrgäste geben die Türen erst nach Aufforderung frei. Rainer spielt jedoch all seine Erfahrung aus und bleibt gelassen. Hin und wieder bringt er seine Fahrgäste mit einem flotten Spruch zum Schmunzeln. Kurz vor Schichtende steigt noch eine Gruppe Kinder in den Bus. Rainer fragt: „Wo wollt ihr denn so spät noch hin?“ Die Kleinen antworten: „Wir wollen nach Hause!“ Mit einer einladenden Handbewegung bittet er die Kinder in den Bus und sagt: „Na dann aber flott rein mit euch!“
Um 20 Uhr 48 – wieder am Jahnplatz – heißt es für uns Schichtende. Am Ende des Tages bin ich begeistert, wie gelassen und ruhig Rainer Giersberg die Linie 100/200 durch die Innenstadt lenkt. „Ich lasse mich nicht stressen und konzentriere mich auf meinen Job die Fahrgäste sicher von A nach B zu bringen. Was habe ich davon, wenn ich mich über Dinge ärgere, die ich als Busfahrer gar nicht beeinflussen kann?!“
Eine gute Einstellung, die ich mir auch als Fahrgast der Erlebnislinie 100/200 zu Herzen nehmen werde, so lässt sich unnötiger Stress vermeiden.
Die Abfahrzeitenanzeige der Ringlinie 100/200 sind auf meiner App verwirrend, da es nur die Fahrtrichtung „August-Holweg-Platz“ gibt. So kann ich z.B. an der Haltestelle „Stadionbrücke“ u.a. nie erkennen, ob die im Smartphone ersichtliche Abfahrzeitanzeige den Bus zum A-H-Platz oder vom A-H-Platz meint.
Hallo Herr Drewes, welche App nutzen Sie denn? Und sehen Sie sich dann nur die Abfahrtstafel an oder eine direkte Fahrtauskunft mit Angabe der Endhaltestelle? In der GVH App ist im Bereich „Abfahrtstafel“ ein kleiner Pfeil vor der Linienbezeichnung. Wenn Sie diesen Anklicken sehen Sie den weiteren Fahrweg – entweder direkt Linden/Fischerhof und AHP oder eben die andere Richtung.
Hallo Frau Wendel, vielen Dank für die schnelle Antwort. Ich nutze die App
efa 87_10.0.46.15 und bin damit ansonsten sehr zufrieden, da ich eine schnelle unkomplizierte direkte Abfahrtzeiten – Info aller Linien einer Haltestelle erhalte. Aus Zeitgründen möchte ich auch nicht lange blättern. Da wäre ein Hinweis A-H-Platz (hin) oder A-H-Platz (vom) hilfreich. Sollten sie auf die Gestaltung dieser App keinen Einfluß haben, werde ich wohl notfalls die GVH App zusätzlich installieren müssen.
LG
Ahhh, Sie nehmen die mobile Seite von efa.de oder gvh.de. Hier ist die Darstellung wirklich nicht sehr optimal, dass müssen wir zugeben. Leider kann die Darstellung nicht geändert werden. Ich kann Ihnen daher nur die GVH App empfehlen, hier können Sie über den kleinen Pfeil den Fahrtweg aufklappen und dann sehen, in welche Richtung der entsprechende Bus unterwegs ist.
In dem Artikel wurde ja bereits ausführlich beschrieben, dass der Bus häufiger im Autoverkehrsstau stecken bleibt. Das müsste nicht sein, wenn Stadt und Üstra noch konsequenter die Verkehrslenkung so gestalteten, dass der Autoverkehr ausgebremst und zurückgedrängt wird, um ein zügiges Vorankommen der Omnibusse zu ermöglichen.
In dem Zusammenhang ärgert es mich dann auch immer wieder, dass ausgerechnet auf den Werbeflächen der Omnibusse Autowerbung platziert wird.
Dagegen freut es mich, dass bald alle Busse auf der Ringlinie 100/200 abgasfrei unterwegs sein werden! Das sollte dann auch Anlass sein noch mal sehr deutlich die Vorrangberechtigung und vorrangige Verkehrslenkung des ÖPNV zu verbessern und aufzuwerten!
Hallo,
ich habe eine kurze Nachfrage. Wie lange muss man den Bus laden, um eine komplette Runde auf der 16 Kilometer langen Strecke zu fahren?
Sind dies wirklich nur 5 Minuten? Ich meine diese Zahl in einem anderen Beitrag gelesen zu haben
Vielen lieben Dank.
Hi Fabian,
ja, die Ladezeit stimmt. Wobei es sich bei der Angabe um einen Mittelwert handelt. Die Ladezeit kann zum Beispiel zwischen Sommer und Winter etwas schwanken. Wenn du noch mehr über die technischen Daten unserer Elektrobusse wissen möchtest, schau gerne auf uestra.de vorbei.
Beste Grüße
Timo